Die poetische Form der Kunstwerke erscheint uns, bey
den neuern, nirgends reiner und eleganter als in der
Aurora des Guido Rheni, im Pallast Rospigliosi zu Rom
(Bild).
Den zweyten Plaz behauptet die schlafende Venus mit
Amorinen umgeben, ein Meisterstük des Hannibal
Carracci, in der Gallerie zu Capo di Monte in Neapel,
und auf diese folgt Rafaels Galathea, in der Farnesina.
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Symbolische Darstellungen.
In symbolischen Figuren der Gottheiten oder ihrer Eigenschaften,
bearbeitet die bildende Kunst ihre höchsten Gegenstände,
gebietet selbst Ideen und Begriffen uns sinnlich zu
erscheinen, nöthigt dieselben in den Raum zu treten,
Gestalt anzunehmen, und den Augen anschaulich zu werden.
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Hingegen gewährt keine von allen uns bekannten
Mythen der bildenden Kunst als Gegenstand so viele Vortheile
als die Madonna. Der sanfteste Reiz, das höchste
Anziehende und Tröstende liegt in ihr, der Himmel
knüpft sich gleichsam mit der Erde zusammen, in
der allmähligen Steigerung ihres Characters durch
verschiedene Stufen vom Menschlichen zum Göttlichen.
Wo sie menschlich handelt mit ihrem Kinde beschäftigt
ist, dasselbe pflegt, herzt, u. s. w. da ist sie uns
das Symbol der Mutterliebe, des gemüthlichsten,
reinsten und zartesten Triebes im Menschen; sie verliert
darum an Innigkeit, an dem Anziehenden und Rührenden
für uns, wenn sie in ihrem menschlichen Zustande
anders als eine liebende Mutter dargestellt erscheint,
denn wir haben ja von der Mutterliebe keinen höhern,
keinen schönern Begriff als die Mutterliebe selbst.
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Von den gleichgültigen Gegenständen.
Wir nennen gleichgültige Gegenstände für
die bildende Kunst diejenigen, welche an und für
sich nichts Bedeutendes, Anziehendes oder Rührendes
enthalten, welche uns in Ruhe und Unthätigkeit
lassen, wenn sie gleich darstellbar und faßlich
sind. Hier tritt der Fall ein, daß der Künstler,
im eigentlichsten Sinne, das Kunstwerk selbst erschafft,
weil er nothwendig dafür sorgen muß, durch
Ausbildung des Ganzen, durch kluge Erfindungen im Einzelnen,
welche nach den Umständen von seiner Willkühr
abhängen, dem Werk ein Interesse zu geben. Da der
Stoff selbst keinen Werth hat, sondern blos leidend
ist, so kommt es ganz darauf an, was er aus demselben
machen will und kann.
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