Charakterbild.
Das Charakterbild unterscheidet und erhebt sich als
Gegenstand über die historische Darstellung dadurch,
daß alle Figuren desselben für sich interessiren
müssen und die Handlung ihnen nur zur nähern
Bezeichnung, oder Versinnlichung des Charakters beygelegt,
anerfunden und um deswillen untergeordnet ist. Im historischen
Bilde hingegen sind die Figuren um der Handlung willen
da, sie stellen solche dar, jene aber werden durch die
Handlung dargestellt, dort ist sie das Mittel, hier
der Zwek.
Das reinste und vollkommenste Beyspiel in dieser Gattung
von Kunstwerken, wäre nach unserer Meinung die
Schule von Athen (Bild), von
welcher auch die obigen Bestimmungen hergenommen sind,
neben derselben wird der Parnaß seinen Plaz behaupten
können. Auch des Guido herrliches Bild von S. Peter
und Paul1
muß unter den vorzüglichsten genannt werden,
wiewohl es von kleinerm Umfange ist. [...]
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Zum dem Rang des Charakterbildes erheben sich auch Bildnisse
von der Art wie Leo X. zwischen zwey Cardinälen,
die Halbfigur vom Cardinal Faedra, und das Kniestük
von Julius II, alle zu Florenz von Rafael; der sogenannte
Schulmeister, Machiavel und Cäsar Borgia in der
Gall: Borghese und das nicht ausgemahlte Bildniß
von Paul III mit ein paar andern Figuren (Bild),
zu Capo di Monte in Neapel, von Tizian. Die Handlung
der vorgestellten Personen zeigt den Charakter an, alles
ist bedeutend, wahrhaft lebendig. Alles stimmt in sich
selbst überein. Es sind Abbildungen vom Menschen
selbst, von seinem Wesen, seinem Innern, nicht nur eine
unbedeutende Aehnlichkeit mit der äussern Gestalt
desselben.
Erfundene (poetische im engern Sinn) mythische,
allegorische Darstellungen.
Poetische Bilder im engern Sinn, welche erfundene Gegenstände
darstellen, mythische und allegorische Bilder scheinen
in der bildenden Kunst noch höher als das Charakterbild
zu stehen, weil sie meistens aus symbolischen, bedeutenden
Figuren zusammengesezt sind. Hier ist das Wunderbare
eigentlich am Plaz, es sind großentheils Scenen
aus dem goldnen Zeitalter, oder Erscheinungen, die im
Aether schweben. In ihrer ganzen Darstellung muß
mehr Schwung und Glanz herrschen als bey historischen
Gegenstanden, und sie sollten immer durch etwas Außerordentliches,
Uberraschendes, Unerwartetes den Zuschauer in ein angenehmes
Erstaunen sezen. [...]
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