Allgemeines über Bestrebungen
und Tendenzen neuerer Kunst, in: Hannoverische Kunstblätter,
1836, Nr. 5, S. 34f, zitiert nach Marie Lødrup
Bang: Johan Christian Dahl 1788-1857. Life and Works,
Bd. 1, Oslo 1987, S. 269.
Der Realismus oder die Richtung in der Malerei,
die darzustellenden Gegenstände bis zur Illusion
treu nachahmen, und darin die Hauptaufgabe der Kunst
zu erblicken, ist um so gefährlicher, als er im
Ganzen so wenig höhere Geistesbildung voraussetzt,
dass er selbst bei den grossen Haufen Anklang findet.
Das Streben nach Naturwahrheit ist in der Kunst etwas
sehr wesentliches; aber es bedarf nach Massgabe der
Gegenstände eines grösseren oder geringeren
Beschränkung. Täuschende Naturwahrheit ist
manchmal viel, sehr viel, niemals Alles und das Höchste,
die Idee, die der Künstler sinnlich wahrnehmbar
machen will, ist immer das Erste. Dazu brauche er soviel
Natur als nötig ist.
S. 35: Wir meinen, der Cardinalpunkt eines jeden Kunstwerks
ist die darin ausgesprochenen Idee. ...
Die dargestellende Idee der aus der Natur entnommenen
Materie organisch und harmonisch aufzuprägen, oder
die Belebung der Naturdinge, ist eine Frage der geistige
Akt des bildenden Künstlers, über den er weder
Rechenschaft noch Auskunft zu geben vermag. Es ist ein
Akt der Begeistrung und Offenbarung. Kein Lehrer und
keine Regeln können ihn lehren. In seiner Gelingen
spricht sich der Beruf des Künstlers aus, nicht
in dem inneren Anschauungsvermögen. Wer besitzt
dieses nicht in höheren oder geringeren Grade?
Ohne die Fähigkeit es äusserlich zu manifestieren,
bleibt der Mensch ein gewöhnlicher Mensch.
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