4. Das herrschaftliche Lustschloß
in Choisy-sur-Seine
Von 1680 bis 1686 errichtete Jacques Gabriel
für Anne-Marie-Louise d'Orléans, einer 'cousine germaine'
Ludwig XIV., das heute zerstörte Landschloß in Choisy
am Seineufer. Es ist als traditionelle Dreiflügelanlage gebildet
und weist auch sonst, der theoretischen Forderung der 'convenance',
der Angemessenheit des Standes entsprechend, Merkmale herrschaftlicher
Bauten auf.
So wurde das zeremonielle Moment der Distanzierung
und des Empfangs königlicher
Bauten übernommen: die Maison ist als Höhepunkt
eines von der großen Allee gestaffelten Systems
von Höfen inszeniert, dem sich der Besucher schrittweise
nähert. Der um einige Stufen erhöhte, für Kutschen
unbefahrbare Bereich der 'cour d'honneur' vor dem Hauptportal war
dabei allein hohen Gästen vorbehalten und wies somit jeden
Besucher noch vor dem Eintritt ins Schloß in seinem Rang aus
(vgl. zum Empfangszeremoniell im Absolutismus Lektion XII, Kap.
3).
Daß auch das Ideal des Rückzugs
ins Private im adeligen Landschloß nur Klischee war, wird
nicht nur in der exponierten Lage des Baus oberhalb des Flusses
deutlich. Mit der Ausrichtung der Gartenseite zum Wasser wurde die
eigentlich als intim betrachtete Sphäre öffentlich, während
die repräsentative Hofseite durch den Park und den umständlichen
Zufahrtsweg
im Verhältnis nach außen relativ abgeschirmt erscheint.