Die gemalte Kunstkammer
Der
Bildtypus der Gemalten Kunstkammer dient nicht nur der Darstellung
von Kunst, sondern vor allem der Darstellung der Auseinandersetzung
mit ihr. Das frühste eigenhändig datierte Gemälde
dieser Gattung, Frans Franckens "Galerieinterieur mit diskutierenden
Gelehrten" aus dem Jahr 1612, zeigt einen an Bildern übervollen
Sammlungsraum und darin, ganz am Rande, zwei Männer in lebhafter
Diskussion. Natürlich reden sie über Kunst - aber worüber
genau? Durch solche Fragen, die sich der Betrachter zwangsläufig
stellt, wird die im Bild dargestellte Reflexion von seinen Rezipienten
fortgesetzt.
Dass diese Form des Diskurses im Antwerpen des frühen 17. Jahrhunderts
entstand, ist im damaligen wirtschaftlichen Aufschwung der Hafenstadt
an der Schelde begründet. Notare, Stadträte, Händler,
Bürgermeister, Wirtsleute und Handwerker wurden zu Kunstsammlern,
als "liefhebbers der schilderyen" nahm sie sogar die St.
Lukas-Gilde auf. Ihre Sammlungen - eben die Kunstkammern - sind
die Vorstufe des Museums. Künstler wie Francken d. J. und David
Teniers d. J. malten jedoch nicht dokumentarisch-deskriptive Darstellungen
zur Befriedigung des Besitzerstolzes ihrer Auftraggeber. Im Gegenteil:
Sie verfolgten - in Auswahl und Anordnung der Werke - eher einen
Diskurs über das kulturelle Ideal des Sammelns, die Herausbildung
einer Sammlungs-Identität und die Kontextualisierung von Kunst
in den Kunstkammern.[KL]
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