Also mein Bild stellt fünf Bauern vor, die in
einer kleinen Bauernstube die Köpfe zusammenstecken,
vermutlich wegen einer Gemeindesache, weil Einer ein
Papier, welches aussieht wie ein alter Kataster, in
der Hand hält. Es sind aber wirkliche Bauern, weil
ich sie alle möglichst treu und nach der Natur
male, auch ist die Bauernstube wirklich eine solche,
weil ich das Bild in derselben male, zum Fenster hinaus
sieht man noch ein Stück vom Ammersee.
[...]
Wilhelm Leibl an seine Mutter (1879)
Wilhelm Leibl (1844-1900). Briefe
mit historisch-kritischem Kommentar. Gesamtverzeichnis
des schriftlichen Nachlasses, hrsg. von Boris Röhrl,
Hildesheim/Zürich/New York 1996, Brief Nr. 75,
S. 160.
Berbling,
den 20. Mai 1879
Liebe Mutter!
[...] Es gehört wirklich eine große Ausdauer
dazu, unter den gegebenen Verhältnissen ein solch
schwieriges und ausführliches Bild1 bis zu Ende
zu bringen. Die meiste Zeit habe ich daran unter Todesverachtung
im wahren Sinne des Wortes gemalt. Denn in der Kirche
herrschte bis jetzt eine eiskalte Grabesluft, so daß
die Finger ganz steif wurden. Manchmal ist es wieder
so dunkel, daß ich die größte Mühe
habe, dasjenige, was ich gerade in Arbeit habe, mit
der gehörigen Genauigkeit zu erforschen. Daß
bei einer solchen Arbeit der geringste Gedanke, bis
zu einer bestimmten Zeit fertig werden zu wollen, den
störendsten Einfluß hat, brauche ich wohl
nicht zu sagen. Ihr müßt Euch deshalb schon
an den Gedanken gewöhnen, mich auf der Münchener
Ausstellung nicht vertreten zu sehen. Ihr könnt
deshalb doch ruhig sein. Das Bild wird, wenn es auch
nicht auf eine Ausstellung kommt, seine Wirkung nicht
verfehlen. Letzthin waren mehrere Bauern davor und falteten
unwillkürlich die Hände. Einer sagte: "Das
ist Meisterarbeit." Auf das Urtheil der einfachen
Bauern habe ich von jeher mehr gehalten, als auf dasjenige
der sogenannten Maler und soll mir diese Äußerung
ein gutes Omen sein.
[...]
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