HOME

    
    
    
        
 
   
   
     
     
     
        
    
    
    
    
    

 

 

Quelle 5: Karl Friedrich Schinkel als Landschaftsmaler

Gustav Friedrich Waagen: Karl Friedrich Schinkel als Mensch und als Künstler, in: Berliner Kalender auf das Gemein Jahr 1844, S. 305-428, Reprint herausgegeben von Werner Gabler, Düsseldorf 1980, S. 330-337 und 377f.

Eigene Neigung, so wie die gebieterischen Umstände [Preußens Niederlage in der Schlacht von Jena und Auerstedt 1806 sowie die anschließende Besetzung Berlins durch Napoleon] machten ihn von dieser Zeit bis zum Jahre 1816 vorzugsweise zum Landschaftsmaler. Für dieses Fach entwickelte er eine Vielseitigkeit des Talents, wie die Kunstgeschichte sonst kein Beispiel gewährt, so daß, wenn er die Technik der alten Meister besessen und seine ganze Kraft diesem Fache hätte zuwenden können, er ohne Zweifel als der größte Landschaftsmaler aller Zeiten dastehen würde. Denn er vereinigte das lebhafte und innige Gefühl für die bescheidenen, anspruchlosen Reize einer nordischen Natur, welche uns die Bilder eines Ruysdael so anziehend machen, mit dem Liniengefühl und dem Sinn für zauberhafte Beleuchtungen eines Claude Lorrain, wofür die südliche Natur Europas so reiche Motive darbietet. [...]
[...]
Ungleich bedeutender als in den Landschaften, welche den obigen beiden Richtungen angehören, erscheint Schinkel in einer andern höchst eigenthümlichen Gattung, welche er, wo nicht erfunden, doch zuerst auf eine geistreiche Weise in einem hohen Grade ausgebildet hat. Dieselbe unterscheidet sich wesentlich dadurch von allen bisher bekannten Arten der Landschaftsmalerei, daß sie uns das vollständige und getreue Bild der Natur und der Zustände von Kunst und Leben der verschiedensten Gegenden und Zeiten unseres Erdballs in schöner, kunstgemäßer Form zur Anschauung bringt. Diese Gattung konnte in jenem universellen Umfange, wo die eigene Anschauung nicht hinreichte, nur dadurch entstehen, daß die Darstellungen in den zahlreichen Kupferwerken, durch welche die Reisenden in den letzten dreißig Jahren eine vorher nicht geahnte Kenntniß der Erde zum Gemeingut gemacht, von der Phantasie eines Künstlers aufgefaßt worden, welcher, mit besonnener Zuziehung der für jeden Fall überkommenen Nachrichten, einen gewählten Geschmack verband. Die unermeßlichen, wissenschaftlichen Ergebnisse für Ethnographie und Geographie wurden auf solche Weise zum ersten Male auch von der Kunst als Landschaftsmalerei ausgebeutet, welche dadurch eine Allgemeinheit des Standpunkts erreicht, sich eine Mannigfaltigkeit der Formen angeeignet hat, wovon man früher keine Ahnung hatte. [...]
[...]

<< Seite 7/8 Word-Text zum Download >>