Über Kunst und Kunstgeist
Sigrid Hinz (Hrsg.). Caspar David Friedrich
in Briefen und Bekenntnissen, München 1974²,
S. 83.
Bewahre einen reinen, kindlichen Sinn in dir und folge
unbedingt der Stimme deines Innern, denn sie ist das
Göttliche in uns und führt uns nicht irre.
Heilig sollst du halten jede reine Regung deines Gemütes;
heilig achten jede fromme Ahndung, denn sie ist Kunst
in uns! In begeisternder Stunde wird sie zur anschaulichen
Form; und diese Form ist dein Bild.
Keiner soll mit fremdem Gute wuchern und sein eignes
Pfund vergraben! Nur das ist dein eignes Pfund, was
du in deinem Innern für wahr und schön, für
edel und gut anerkennst.
Mit eignem Auge sollst du sehen und, wie dir die Gegenstände
erscheinen, sie treulich wiedergeben; wie alles auf
dich wirkt, so gib es im Bilde wieder!
Vielen wurde wenig, wenigen viel zuteil: Jedem offenbart
sich der Geist der Natur anders, darum darf auch keiner
dem andern seine Lehren und Regeln als untrügliches
Gesetz aufbürden. Keiner ist Maßstab für
alle, jeder nur Maßstab für sich und für
die mehr oder weniger ihm verwandten Gemüter.
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