Saint-Yenne und Diderot als exemplarischer Gegenstand
einer neuen, auf moralische Inhalte zielenden Malerei.
Davids Gemälde stand in der Tradition des sujet
tragique, einem Bildtyp, der Momente aus der Geschichte
zeigte, in denen der Protagonist innere Konflikte austragen
mußte. Die Bilder, auch sujets noirs genannt,
erfreuten sich im späten ancien régime großer
Beliebtheit. Ein Beispiel ist das Bild von Manlius Torquatus,
das Jean Simon Berthélemy (1743-1811) 1785 im
Auftrag von d'Angiviller geschaffen hat. Manlius Torquatus
war wie Brutus ein römischer Konsul. Er mußte
den eigenen Sohn, obwohl dieser siegreich aus einer
Schlacht zurückgekehrt war, zum Tode verurteilen,
weil dieser ohne Befehl angegriffen hatte. Die Franzosen
des ancien régime standen dem römisch-republikanischen
Gebot, die Staatsräson über die Humanität
zu stellen, verständnislos gegenüber, da die
römische Moral in ihrer Zeit keine Gültigkeit
besaß. Die Beliebtheit dieser Themen erklärt
sich hingegen aus dem Interesse an ihren gruseligen
Aspekten. Hier ging es, wie in der Einführung zur
ersten Aufgabe angesprochen, um den individuellen Nachvollzug
des Bildgeschehens, dem man sich mit schauerlichem Behagen
hingab.
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