Quelle 3: Goethe und Meyer: Nachricht an Künstler
und Preisaufgabe, 1799
Goethe und Meyer: Nachricht an Künstler
und Preisaufgabe, in: Propyläen, 2. Band, 1. Stück
(1799), S. 162-174, zitiert nach: Walther Scheidig:
Goethes Preisaufgaben für bildende Künstler
1799-1805 (Schriften der Goethe-Gesellschaft Bd. 57),
Weimar 1958, S. 25-30.
Die Abhandlung über jene Gegenstände,
an welche sich der bildende Künstler vorzüglich
halten sollte, hat, wie uns eingegangene Nachrichten
und Anfragen von Freunden, nicht weniger die öffentlichen
Urteile gezeigt, erwünschte Teilnahme gefunden.
[...]
Wir schlagen [...] zur Konkurrenz für alle Künstler
einen für die Darstellung nach unserer Überzeugung
tauglichen Gegenstand vor und sagen demjenigen, der
solchen in einer Zeichnung am besten behandelt, eine
Prämie von zwanzig und dem, er sich zunächst
anschließt, eine Prämie von zehn Dukaten
zu.
Homers Gedichte sind von jeher die reichste Quelle gewesen,
aus welcher die Künstler Stoff zu Kunstwerken geschöpft
haben, und wir wollen uns daher auch im gegenwärtigen
Falle an dieselbe halten. Vieles ist bei ihm schon so
lebendig, so einfach und wahr dargestellt, daß
der bildende Künstler bereits halbgetane Arbeit
findet; ferner hat die Kunst der Alten in dem Kreis,
den dieser Dichter umschließt, sich eine Welt
geschaffen, wohin sich jeder echte moderne Künstler
so gern versetzt, wo alle seine Muster, seine höchsten
Ziele sich befinden.
[...]
Bei unserer jetzigen Absicht haben wir in der Wahl eines
Gegenstandes sorgfältig darauf Bedacht genommen,
daß er jene als Regel aufgestellte Bedingung erfülle
und sich selbst ausspreche, Er sollte für Maler
und Bildhauer gleich günstig sein, damit beiderlei
Künstler bei der Konkurrenz gleiche Vorteile genössen.
Ferner schien dabei das Gefällige dem Pathetischen
vorzuziehen, weil wir wünschen, dass das Unterhaltende
der Arbeit viele reizen mögen, ihre Kräfte
zu versuchen, und ein jeder, er mag nun den Preis erhalten
oder nicht, zu seinem Werke hernach desto leichter einen
Liebhaber finde und sich nicht umsonst bemüht habe.
[...]
Wir empfehlen dringend die größte Einfachheit
und Ökonomie in der Darstellung. Alles Unnütze
oder Überflüssige (man verstehe uns hier wohl),
wäre es auch nur ein Nebenwerk und übrigens
noch so zierlich, werden wir als einen Fehler betrachten.
Es wird keine Manier vorgeschrieben, in welcher die
Zeichnungen verfertigt sein müssen, ein jeder bediene
sich derjenigen, in welcher er sich am besten geübt
fühlt. Auch der Grad der Ausführung sei eines
jeden Neigung und Gutdünken überlassen. [...]
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