In den sieben Jahren bis 1805 wurden insgesamt elf
Themen zur Bearbeitung ausgeschrieben, da in vier Wettbewerben
jeweils zwei Themenvorschläge gemacht worden sind.
Davon waren sieben Themen aus der Ilias und eines aus
der Odyssee. Die Dominanz Homers läßt sich
keineswegs zwingend aus der Gegenstandslehre erklären,
zumal die Themen Kenntnisse voraussetzten und sich nicht
allein "durch ihr sinnliches Dasein selbst bestimmen"
konnten. Goethe sah in Homers Epen den idealen Lehrstoff
für die Kunst der Deutschen. Er bezog sich in dieser
Einschätzung auf Winckelmann, welcher der Ansicht
war, die griechischen Künstler hätten in der
Malerei und Bildhauerkunst nicht Themen aus der Geschichte,
sondern die in den homerischen Epen überlieferten
Mythen dargestellt. Dies taten die Griechen, und hier
griff Winckelmann auf eine Maxime des griechischen Schriftstellers
Simonides zurück, daß die Malerei eine "stumme
Poesie" sei (und die Dichtung im Gegenzug eine
sprechende Malerei). Auch Horaz erteilte in seiner "Poetik"
den Rat, "lieber Gegenstände aus der Ilias
zu nehmen, als ganz neue zu erfinden, die noch von keinem
andern Dichter bearbeitet wurden". Diese Gedanken,
die sich noch ganz in den Bahnen des ut pictura poesis-Axioms
der Aufklärungsästhetik bewegten, hat Goethe
in einem entscheidenden Punkt modifiziert. Er strebte
nicht die Vermischung von Malerei und Literatur an,
sondern war sich mit Gotthold Ephraim Lessing und seiner
1766 erschienenen Schrift "Laokoon: oder über
die Grenzen der Mahlerey und Poesie" einig, daß
beide künstlerische Bereiche strikt voneinander
getrennt blieben. Goethe hoffte, daß der Künstler
mit seiner Gegenstandslehre in der Lage sei, in genauer
Kenntnis seiner medialen Möglichkeiten über
Stoffe und Ideen frei zu verfügen.
An den Preisaufgaben nahmen bedeutende Künstler
der jüngeren Generation teil: Veit Hans Schnorr
von Carolsfeld, Erdmann Hummel, die Brüder Riepenhausen,
Rudolf Schadow, Peter Cornelius, Philipp Otto Runge
und Caspar David Friedrich. Die meisten Einsendungen
blieben jedoch weit hinter dem Stand des allgemeinen
Kunstniveaus der Jahre um 1800 zurück - sei es,
daß die Künstler in dilettantischer Weise
den Anforderungen nicht gerecht werden konnten, sei
es, daß sie mit dem gesamten Konzept der Veranstaltung
haderten. Für Runge war Goethes Kritik an seinen
Einsendungen (ihm wurde "ein ernstes Studium des
Altertums und der Natur im Sinne der Alten" angeraten)
Anstoß, gründlicher als zuvor über seine
Auffassung der Kunst nachzudenken. Er beschritt daraufhin,
sehr zum Mißfallen Goethes, den Weg der Romantik.
|