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Quelle 3: Hackerts Kunstcharakter und Würdigung seiner Werke von Herrn Hofrat Meyer, 1811

Johann Wolfgang von Goethe: Philipp Hackert. Biographische Skizze, meist nach dessen eigenen Aufsätzen entworfen, Tübingen (Cotta) 1811.

Hackerts Verdienst als Landschaftsmaler und das Eigentümliche seiner Werke klar auseinanderzusetzen, ist keine leichte Aufgabe, teils weil er die Prospektmalerei hauptsächlich emporgebracht und noch bis jetzt von niemand darin übertroffen worden, teils weil zwar wohl das Publikum, aber nicht immer die Kunstrichter seinen Talenten und seiner großen, höchst achtbaren Kunstfertigkeit Ehre und Recht haben widerfahren lassen.
Damit aber der vorgesetzte Zweck möge erreicht werden, so wird sich der Leser einige Rückblicke auf den Zustand oder vielmehr auf den Gang der Landschaftsmalerei seit dem 17. Jahrhundert gefallen lassen. Gegen die Mitte desselben nämlich blühten die drei großen Künstler Claude Lorrain, Caspar Dughet und Salvator Rosa; allein es ist nicht zuviel behauptet, wenn man sagt, der Kunstteil, welchen sie so sehr verherrlichten, habe damals auch seinen Wendepunkt erreicht: denn wiewohl die folgenden Zeiten nicht gänzlich arm an ausgezeichneten Talenten waren, so können doch die seither erfolgten Rückschritte in der Landschaftsmalerei nicht wohl abgeleugnet werden. Der Gehalt der Erfindungen wie nicht weniger auch die allgemeine Übereinstimmung der Teile zum künstlich malerischen Ganzen hat abgenommen. Vorerwähnten großen Meistern folgten Nachahmer, welche aber als solche notwendig hinter ihren Mustern zurückblieben; sodann folgte die Prospektmalerei, deren Ursprung bei den bildnisliebenden Engländern zu suchen sein dürfte. Bald verbreitete sie sich auch nach Frankreich, wo Vernet, um die Mitte des 18. Jahrhunderts vornehmlich, mit den bekannten Ansichten der Seehäfen sich seinen glänzenden Ruhm erworben, und zu eben der Zeit fanden auch die durch Aberli zu Bern verfertigten Schweizer Prospekte sehr vielen Beifall. Während der siebziger Jahre endlich gelang es unserm Hackert, wie aus den vorstehenden Nachrichten ersichtlich ist, sich in den Ruf des ersten Landschaftsmalers seiner Zeit zu setzen, und durch ihn erreichte das Fach der Prospektmalerei die höchste Vollkommenheit, indem es unmöglich scheint, den realistischen Forderungen mit geringerem Nachteil für die wahre Kunst besser Genüge zu leisten, als in seinen Bildern geschieht. Mit unendlicher Treue und Wahrheit stellt er uns die Gegenden von Rom, Tivoli, Neapel usw. vor Augen; der Beschauer erhält Rechenschaft vom geringsten Detail, und doch ist alles ohne ängstliche, kleinliche Mühe, meisterhaft, sicher, ja sogar mit Leichtigkeit vorgetragen. Über dieses nimmt man bei Hackert eine beständige Tätigkeit des guten Geschmacks oder, wenn man will, des Schönheitssinnes wahr. Freilich sind seine Gemälde nicht alle hinsichtlich auf den

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