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[...] Stellt er [der Landschaftsmaler oder -dichter] uns also bestimmte Gestalten und in einer bestimmten Ordnung vor, so bestimmt er, und nicht wir, indem keine objektive Regel vorhanden ist, in welcher die freie Phantasie des Zuschauers mit der Idee des Künstlers übereinstimmen könnte. Wir empfangen also das Gesetz von ihm, das wir uns doch selbst geben sollten. [...]
[...]
[D]ie landschaftliche Natur zeigt uns diese strenge Notwendigkeit nicht in allen ihren Teilen, und bei dem tiefsten Studium derselben wird noch immer sehr viel Willkürliches übrigbleiben, was den Künstler und Dichter in einem niedrigem Grade von Vollkommenheit gefangen hält. Die Notwendigkeit, die der echte Künstler an ihr vermißt, und die ihn doch allein befriedigt, liegt nur innerhalb der menschlichen Natur, und daher wird er nicht ruhen, bis er seinen Gegenstand in dieses Reich der höchsten Schönheit hinübergespielt hat. Zwar wird er die landschaftliche Natur für sich selbst so hoch steigern, als es möglich ist, und, soweit es angeht, den Charakter der Notwendigkeit in ihr aufzufinden und darzustellen suchen; aber weil er, aller seiner Bestrebungen ungeachtet, auf diesem Wege nie dahin kommen kann, sie der menschlichen [Natur] gleichzustellen, so versucht er es endlich, sie durch eine symbolische Operation in die menschliche zu verwandeln und dadurch aller der Kunstvorzüge, welche ein Eigentum der letztern sind, teilhaftig zu machen.
[...] Es gibt zweierlei Wege, auf denen die unbeseelte Natur ein Symbol der menschlichen werden kann: entweder als Darstellung von Empfindungen oder als Darstellung von Ideen.
Zwar sind Empfindungen, ihrem Inhalte nach, keiner Darstellung fähig; aber ihrer Form nach sind sie es allerdings, und es existiert wirklich eine allgemein beliebte und wirksame Kunst, die kein anderes Objekt hat als eben diese Form der Empfindungen. Diese Kunst ist die Musik, und insofern also die Landschaftmalerei oder Landschaftpoesie musikalisch wirkt, ist sie Darstellung des Empfindungsvermögens, mithin Nachahmung menschlicher Natur. [...] [W]ir verlangen, daß jede poetische Komposition neben dem, was ihr Inhalt ausdrückt, zugleich durch ihre Form Nachahmung und Ausdruck von Empfindungen sei und als Musik auf uns wirke. [...]
Nun besteht aber der ganze Effekt der Musik (als schöner und nicht bloß angenehmer Kunst) dann, die innern Bewegungen des Gemüts durch analogische äußere zu begleiten und zu versinnlichen. Da nun jene innern Bewegungen (als menschliche Natur) nach strengen Gesetzen der Notwendigkeit vor sich gehen; so geht diese Notwendigkeit und Bestimmtheit auch auf die äußern Bewegungen, wodurch sie ausgedrückt werden, über; und auf diese Art wird es begreiflich; wie, vermittelst jenes symbolischen Akts, die gemeinen Naturphänomene des Schalles und des Lichts von der ästhetischen Würde der Menschennatur partizipieren können. Dringt nun der Tonsetzer und der Landschaftmaler in das Geheimnis jener Gesetze ein, welche über die innern Bewegungen

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