Die Ausführung des oben Gesagten würde ganze
Bände einnehmen; man kann auch schon manches darüber
in Büchern finden; der reine Begriff aber ist allein
an der Natur und den Kunstwerken zu studieren. Wir fügen
noch einige Betrachtungen hinzu und werden, sooft von
bildender Kunst die Rede ist, Gelegenheit haben, uns
dieser Blätter zu erinnern.
Es läßt sich leicht einsehen, daß diese
drei hier voneinander geteilten Arten, Kunstwerke hervorzubringen,
genau miteinander verwandt sind und daß eine in
die andere sich zart verlaufen kann.
Die einfache Nachahmung leicht faßlicher Gegenstände
- wir wollen hier zum Beispiel Blumen und Früchte
nehmen - kann schon auf einen hohen Grad gebracht werden.
Es ist natürlich, daß einer, der Rosen nachbildet,
bald die schönsten und frischesten Rosen kennen
und unterscheiden und unter tausenden, die ihm der Sommer
anbietet, heraussuchen werde. Also tritt hier schon
die Wahl ein, ohne daß sich der Künstler
einen allgemeinen bestimmten Begriff von der Schönheit
der Rose gemacht hätte. Er hat mit faßlichen
Formen zu tun; alles kommt auf die mannigfaltige Bestimmung
und die Farbe der Oberfläche an. Die pelzige Pfirsche,
die fein bestaubte Pflaume, den glatten Apfel, die glänzende
Kirsche, die blendende Rose, die mannigfaltigen Nelken,
die bunten Tulpen, alle wird er nach Wunsch im höchsten
Grade der Vollkommenheit ihrer Blüte und Reife
in seinem stillen Arbeitszimmer vor sich haben; er wird
ihnen die günstigste Beleuchtung geben; sein Auge
wird sich an die Harmonie der glänzenden Farben,
gleichsam spielend, gewöhnen; er wird alle Jahre
dieselben Gegenstände zu erneuern wieder imstande
sein und durch eine ruhige nachahmende Betrachtung des
simpeln Daseins die Eigenschaften dieser Gegenstände
ohne mühsame Abstraktion erkennen und fassen: und
so werden die Wunderwerke eines Huysum, einer Rachel
Ruysch entstehen, welche Künstler sich gleichsam
über das Mögliche hinübergearbeitet haben.
Es ist offenbar, daß ein solcher Künstler
nur desto größer und entschiedener werden
muß, wenn er zu seinem Talente noch ein unterrichteter
Botaniker ist; wenn er von der Wurzel an den Einfluß
der verschiedenen Teile auf das Gedeihen und den Wachstum
der Pflanze, ihre Bestimmung und wechselseitigen Wirkungen
erkennt, wenn er die sukzessive Entwicklung der Blätter,
Blumen, Befruchtung, Frucht und des neuen Keimes einsiehet
und überdenkt. Er wird als dann nicht bloß
durch die Wahl aus den Erscheinungen seinen Geschmack
zeigen, sondern er wird uns auch durch eine richtige
Darstellung der Eigenschaften zugleich in Verwunderung
setzen und belehren. In diesem Sinne würde man
sagen können, er habe sich einen Stil gebildet,
da man von der andern Seite leicht einsehen kann, wie
ein solcher Meister, wenn er es nicht gar so genau nähme,
wenn er nur das Auffallende, Blendende leicht auszudrücken
beflissen wäre, gar bald in die Manier übergehen
würde.
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