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Lorrain, Moses im Schilfkorb, 1640
Mangelhaftigkeit und immer nur das Potential zur Idealität erkannte, dem vom Künstler nachzuhelfen war. Maler wie Nicolas Poussin (1594-1665) und Claude Lorrain (um 1602-1682) – allseits bewunderte Vertreter einer idealistischen Landschaftsmalerei – begnügten sich dementsprechend nicht damit, Naturausschnitte "ab"zumalen. Vor der Natur selber nahmen sie immer nur Skizzen auf, die sie dann im Atelier neu und nach Maßgaben einer auf Ganzheitlichkeit getrimmten klassizistischen Kunsttheorie zusammensetzen. So trifft der Begriff "Ausschnitt" im Grunde genommen auf klassizistisch orientierte Landschaften niemals zu. Immer ist in ihnen darauf geachtet, daß sich der Anblick der Landschaft zu einem Vollständigen rundet, das gleichzeitig Abbild der Sinnhaftigkeit göttlicher Schöpfung sein soll.Vor einem klassizistischen Landschaftsbild hat man nie den Eindruck, daß sich hier die dargestellte Natur nach den Seiten hin fortsetzen könnte, immer wird sie zu den Seiten hin von Staffageelementen abgeschlossen, die keinesfalls als beobachtete, sondern vielmehr als abrundend sinnstiftend hinzugefügte zu deuten sind.
In den 1830er Jahren wird die Landschaftsmalerei in Frankreich zu einer Gattung, die dem überkommenen System der Künste die Stirn bietet. Maler wie Camille Corot (1796-1875), Jules Dupré (1811-1889), Théodore Rousseau (1812-1867) und andere, vor allem im Wald von Barbizon bzw. Fontainebleau arbeitende Künstler, entdecken in ihr eine Möglichkeit, der inzwischen als verknöchert empfundenen Orientierung am klassischen Ideal der Historienmalerei Alternativen entgegenzusetzen. Und diese Alternativen schöpfen aus der Beobachtung der Natur, deren sinnlicher Reichtum erst einmal zu erfassen und nicht gleich der Idee der Gestaltung zu unterwerfen ist. Die Landschaftsmalerei wird hier zur avantgardistischen Gattung per se. In der schmerzhaften Auseinandersetzung mit den in der Akademie organisierten Bewahrern der Tradition zeigen die Landschaftsmaler den Weg zu einer realistischen Kunstauffassung, die die Moderne bestimmen sollte. In Auseinandersetzung mit denjenigen Landschaftern, die den Anschluß an die große Kunst des 17. Jahrhunderts suchen, werfen die progressiven Naturmaler Konventionen über Bord, die bis dahin als Ausweis für die
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