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Valenciennes, Dächer im Sonnenlicht, 1782-1784

Landschaftsmalerei als innovative Gattung

Die Landschaftsmalerei hat im frühneuzeitlichen System der Künste eine niedrige Stellung inne. Durchaus beliebt bei vielen aristokratischen und bürgerlichen Auftraggebern, stellt sie das dominierende akademische System trotzdem fast an das Ende ihrer Hierarchie. Als Malerei unbelebter Gegenstände zieht sie gegenüber allen Gattungen den Kürzeren, die sich mit den belebten Dingen beschäftigen, insbesondere natürlich gegenüber denjenigen, die den Menschen zum Thema wählen. Um so mehr, wenn dieser – wie in der Historienmalerei – als Handelnder und den Lauf der Geschichte Verändernder auftritt.

Diese lange Zeit gültige Rangordnung wird in dem Moment brüchig, wo der idealistische Kunstbegriff, Grundlage des akademischen Kunstsystems, unter Beschuß gerät. Hier hat insbesondere der Empirismus und Sensualismus der Aufklärung eine entscheidende Rolle gespielt. Schon im späteren 18. Jahrhundert wird die Bedeutung des vor der Natur selbst entstandenen Bildes einer

Valenciennes, Dächer im Schatten, 1782-1784

neuen Würdigung unterzogen. Der akademische Landschaftsmaler Pierre Henri de Valenciennes (1750-1819) etwa empfahl seinen Schülern, unterschiedliche Lichtwirkungen vor der Natur zu studieren und dies in kurzen Sitzungen zu tun, um tatsächlich den momentanen Zustand zu erfassen und nicht etwa allzu viel Zeit für die individuelle Überarbeitung zu haben, die dann doch wieder den Konventionen gehorchen würde. Und nachdem die Landschaftsmalerei in der Akademie nirgendwo eine herausgehobene Rolle gespielt hatte, änderte sich dies langsam seit dem frühen 19. Jahrhundert. Ein Anzeichen dafür ist in Frankreich die Einführung des Rompreises für Landschaftsmaler im Jahr 1816.

Bis hierhin – und an vielen Stellen auch noch darüber hinaus – hatte als Grundregel gegolten, daß die reine Naturansicht nur dann bedeutungsvoll sein konnte, wenn sie vom künstlerischen Ingenium einem Prozeß der Reinigung, Glättung, Verbesserung unterzogen wurde, so daß auch in der "toten" Dingwelt der göttliche Geist zur Anschauung gelangen konnte. Das hängt mit philosophisch-kunsttheoretischen Überzeugungen zusammen, die in der Sinnenwelt

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