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Quelle 2: Johann David Passavant: Dritter Abschnitt. - Über das Bestreben der neu-deutschen Kunstschule

[Johann David Passavant:] Ansichten über die bildenden Künste und Darstellung des Ganges derselben in Toscana; zur Bestimmung des Gesichtspunctes, aus welchem die neudeutsche Malerschule zu betrachten ist. Von einem deutschen Künstler in Rom, Heidelberg/Speyer 1820.

[...] Die Richtung der Kunst jedoch, welche sich hauptsächlich auf das Studium der antiken Kunstwerke stützt, verdankt ihre Ausbreitung und Folgen, die sie in allen bildenden Künsten gehabt, hauptsächlich dem außerordentlichen Genie des Winkelmann. Hätte man jedoch sogleich verstanden, eben so wie er, die eigentliche Ursache der Blüthe der Kunst in Griechenland zu durchschauen und den Geist aufzufassen, in welchem die antiken Kunstwerke gemacht sind, ohne jedoch die Ansichten der Kunst bei den Griechen als Maaßstab bei Betrachtung der Werke christlicher Zeiten anzunehmen und sich nur an das Äußere oder Einzelne zu halten: man würde wohl schon früher zur Erkenntniß gekommen seyn, daß im Mittelalter und der sich daran anschließenden Zeit, die Kunst in Italien und Deutschland mit dem innern, geistigen und allgemeinen Zusammenhang der Kunst in Griechenland, die größte Ähnlichkeit hat; daß es aber in der Natur der Sache liegt, daß ein jedes Volk nach Außen seine besondere auf Geschichte und Religion sich gründende Richtung und Eigenthümlichkeit habe. [...]
[...]
Unterdessen nahm allgemein das Bestreben im deutschen Volke eine bestimmtere Richtung und es suchte den Geist vergangener Zeiten wieder zurückzuführen; denn es hat erkannt, wie herrlich es ehemals gewesen, und wie tief es seit drei Jahrhunderten gesunken ist, da es die Art seiner Väter verlassen hat. Unsere deutschen Schriftsteller, besonders Klopstock, Lessing, Herder und Göthe, haben dieser Richtung einen großen Anstoß gegeben. Vorzüglich gab letzterer in seiner früheren Zeit in der Dichtkunst ein großes Beispiel, welchem nun auch die Jünger der bildenden Künste folgen.
Diese Künstler, besonders einige der ausgezeichnetsten jetzigen Maler, durch den Anstoß in der Zeit auf einen neuen natürlicheren Standpunct erhoben, haben sich von der Herrschaft willkührlicher Regeln in der Kunst, welche durch das Akademiewesen entstanden sind, losgesagt, und sich dem freien Drang ihrer Seele überlassen. Da aber ein hoher Grad von Bildung nicht das Werk eines Menschen oder einer Generation seyn kann, sondern sich an eine lange Entwicklung anschließen muß: so haben sie sich auch an diejenige frühere

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