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Novalis-Portrait verm. von Franz Gareis, um 1800, Schloß Oberwiederstedt

Die Entstehung der Romantik

In Lektion 2 ist die Romantik als ein Phänomen vorgestellt worden, das von Goethe als Verfechter der Gültigkeit antiker Muster leidenschaftlich bekämpft wurde. Diese Lektion wendet sich der romantischen Strömung selbst zu. Die Romantik formierte sich in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts zunächst in der Literaturtheorie, wurde aber schnell unter den Bedingungen der Zeit zu einer umfassenden Welt- und Lebensanschauung ausgebaut.
Der Begriff "Romantik" ist eine Ableitung des englischen Wortes "romance", das ursprünglich eine in der Volkssprache verfaßte Dichtung bezeichnete, speziell die mittelalterliche Ritterdichtung. Von hier aus erhielt der Begriff zum einen eine poetologische Bedeutung, welche die Stilmerkmale des Romans, nämlich phantastisch, übertrieben und märchenhaft, bezeichnet, zum anderen eine chronologische: "Romantische" Literatur war die epische des Mittelalters, welche durch den Klassizismus verdrängt worden war.
Friedrich Schlegel (1772-1829) und Novalis (eigentlich Friedrich von

Hardenberg, 1772-1801) gehörten zu den ersten, die aus der Bezeichnung eines historischen Phänomens eine Handlungsanweisung für die Gegenwart gemacht hatten. So schrieb Schlegel in der gemeinschaftlich mit seinem Bruder August Wilhelm (1767-1845) herausgegebenen Zeitschrift "Athenäum": "Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennten Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen, und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisieren, und die Formen der Kunst mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors beseelen." (116. Athenäums-Fragment 1798.)
Eine noch größere Ausweitung romantischer Begrifflichkeit formulierte Novalis, als er in einem zwischen Ende 1797 und Mitte 1798 entstandenen Fragment schrieb: "Die Welt muß romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder. [...] Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es."

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