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Bardou, Büste Immanuel Kant, 1798

"Gefühl" als zentrale Instanz in Philosophie und Theologie

Schlegels wie Novalis' Forderung nach universaler Vereinigung und Verschmelzung wandte sich nicht an den Verstand. Die Romantisierung der Welt erfolgte durch das Gefühl, welches auf diese Weise zur zentralen menschlichen Instanz erhoben wurde. Die Betonung des Gefühls erschien den Zeitgenossen als Schlüssel zur Beantwortung von Fragen, die sich auf vielen Feldern dringlich stellten. Solche Gedanken wurden von mehreren Disziplinen aufgegriffen und weiterentwickelt.
Die Philosophie befand sich am Ende des 18. Jahrhunderts in einer Krise, nachdem Immanuel Kant (1724-1804) in seinen drei Kritiken die Metaphysik dahingehend analysiert hatte, ob sie als Wissenschaft überhaupt möglich sei. Diese philosophische Disziplin, deren Erkenntnisinteresse - von Aristoteles ausgehend - über die Natur hinausgeht (griech. metá "hinter" und phýsis "Natur") und eine Lehre vom Sein an sich bzw. dem Seienden ausgebildet hat, wurde von Kant mit der Feststellung konfrontiert, daß wir die Welt nicht erkennen können, wie sie an sich ist. Wir erkennen nur den Abdruck unseres Bewußtseins von der Welt. Die Welt wird

uns als Erscheinung gegeben, was sie darüber hinaus ist, entzieht sich unserer Erkenntnismöglichkeit. "Was die Dinge an sich sein mögen, weiß ich nicht, und brauche es auch nicht zu wissen, weil mir doch niemals ein Ding anders als in der Erscheinung vorkommen kann" (Kritik der reinen Vernunft, I. Transzendentale Elementarlehre, 2. Teil, 1. Abt., 2. Buch, 3. Hauptstück, Anmerkung zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe).
Das Verdikt, daß es unmöglich sei, nach dem Ding an sich zu fragen, weil es der Vernunft unzugänglich sei, konnte die Romantiker nicht überzeugen. Sie empfanden die Metaphysik als drängendes Problem, das einer neuen Grundlage bedurfte. Bei ihren Überlegungen kamen sie auf eine neue Auffassung von der Aufgabe und den Möglichkeiten der Kunst. Für sie wurde es nun zur wesentlichen Frage, wie die Kunst Metaphysisches anschaulich machen könne.
Mit ähnlichen Fragen beschäftigte sich die idealistische Philosophie, die sich in Auseinandersetzung mit Kants kritischer Philosophie entwickelt hatte. Sie lieferte der romantischen Kunst wichtige Stichworte. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854) sagte, daß die Philosophie das Absolute zwar in intellektueller Anschauung fassen, aber nicht darstellen könne. Dies vermöge jedoch die Kunst als "die einzige und ewige Offenbarung, die es gibt." Kunst bedürfe also, um

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