Quellen
zu Aufgabe Antikenrezeption
Quelle 1: Tischbein 1785/86 über den
Horatierschwur von David (Bild)
Johann Heinrich Wilhelm Tischbein:
Briefe aus Rom, über neue Kunstwerke jeztlebender
Künstler, in: Der teutsche Merkur, Februar 1786,
S. 169-185.
Rom, den 16ten August 1785.
In diesen Tagen ist ein Gemälde ausgestellt worden,
welches die Aufmerksamkeit von ganz Rom auf sich zog.
Man ließt in der Geschichte der Kunst von keinem
Gemälde, das mehr Geräusch erwekt hätte,
als die Erscheinung von diesem. Nicht nur die Künstler,
Liebhaber und Kenner, sondern selbst das Volk läuft
truppenweise vom Morgen bis Abend herbey, es zu sehen.
Der Enthusiasmus ist allgemein; man muß mit oder
wider Willen sich zu einer Parthey schlagen, es ist
Niemanden erlaubt, seine eigene Meynung dabey zu haben;
das bescheidene Urtheil, das Gute gut, und das Mittelmäßige
mittelmäßig zu finden, gilt hier nichts.
Im hiesigen Publico wird eine Sache entweder himmelan
erhoben, oder mit einem Machtspruch unter das elendeste
Zeug herabgeworfen; und eines von beyden hört man,
indem man in Gesellschaften, auf Kaffeehäusern,
auf den Strassen, von nichts als von David und den Drey
Horaziern reden hört.
Keine Staatsangelegenheit des ältern Roms, und
keine Pabstwahl des neuern, sezte je die Gemüther
in eine grössere Bewegung. Denn wer will heutzutage
in Rom nicht schöner Geist seyn, und sich als Kenner
in den bildenden Künsten hervor thun? (...)
Ich will Sie zuerst mit dem Künstler näher
bekannt machen. Er heißt David, ist ein Franzose,
von Paris gebürtig, und jezt ein Mann von ungefähr
36 Jahren. Er legte sich in seiner Jugend auf das Bataillenmahlen;
da er aber als Pensionär der Französischen
Academie nach Rom kam, und in der nähern Betrachtung
der Antiken und der größten Werke der neuern
Meister sein Gefühl sich mehr entwickelte, verließ
er sein erstes Fach, und gieng zum Heroischen in der
Historienmahlerey über. Er studierte mehrere Jahre
in Rom, ohne sich weiter bekannt zu machen; und nach
seinem eigenen Geständnisse kostete es ihm nicht
wenig Mühe, sich die falsche Manier, zu der er
in seinem Vaterlande angeführet worden war, abzugewöhnen,
und nach den Antiken und den Werken Raphaels den allein
richtigen Weg einzuschlagen. (...)
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