anzufangen, daß der dem Menschen
angeborne Hang zur Sinnlichkeit zu Erhöhung seiner
Sinnesart angewendet und in besondern Fällen als
ein Mittel gebraucht werde, ihn unwiderstehlich zu seiner
Pflicht zu reizen?" So halb und mißverstanden
und in den Wind, als der Wunsch Cicerons, die Tugend
in körperlicher Schönheit seinem Sohne zuzuführen.
Herr S. beantwortet auch die Frage nicht, sondern deutet
nur, worauf es hier ankomme, und wir machen das Büchlein
zu. Ihm mag sein Publikum von Schülern und Kennerchens
getreu bleiben, wir wissen, daß alle wahre Künstler
und Liebhaber auf unsrer Seite sind, die so über
den Philosophen lachen werden, wie sie sich bisher über
die Gelehrten beschwert haben. Und zu diesen noch ein
paar Worte, auf einige Künste eingeschränkt,
das auf so viele gelten mag als kann.
Wenn irgendeine spekulative
Bemühung den Künsten nützen soll, so
muß sie den Künstler grade angehen, seinem
natürlichen Feuer Luft machen, daß es um
sich greife und sich tätig erweise. Denn um den
Künstler allein ist's zu tun, daß der keine
Seligkeit des Lebens fühlt als in seiner Kunst,
daß, in sein Instrument versunken, er mit allen
seinen Empfindungen und Kräften da lebt. Am gaffenden
Publikum, ob das, wenn's ausgegafft hat, sich Rechenschaft
geben kann, warum's gaffte, oder nicht, was liegt an
dem?
Wer also schriftlich, mündlich
oder im Beispiel, immer einer besser als der andre,
den sogenannten Liebhaber, das einzige wahre Publikum
des Künstlers, immer näher und näher
zum Künstlergeist aufheben könnte, daß
die Seele mit einflösse ins Instrument, der hätte
mehr getan als alle psychologische Theoristen. Die Herren
sind so hoch droben im Empyreum transzendenter Tugendschöne,
daß sie sich um Kleinigkeiten hienieden nichts
kümmern, auf die alles ankommt. Wer von uns Erdensöhnen
hingegen sieht nicht mit Erbarmen, wieviel gute Seelen
z. B. in der Musik an ängstlicher mechanischer
Ausübung hangenbleiben, drunter erliegen?
Gott erhalt' unsre Sinnen, und
bewahr' uns vor der Theorie der Sinnlichkeit, und gebe
jedem Anfänger einen rechten Meister! Weil denn
die nun nicht überall und immer zu haben sind,
und es doch auch geschrieben sein soll, so gebe uns
Künstler und Liebhaber ein peri
eauton seiner Bemühungen, der Schwierigkeiten,
die ihn am meisten aufgehalten, der Kräfte, mit
denen er überwunden, des Zufalls, der ihm geholfen,
des Geistes, der in gewissen Augenblicken über
ihn gekommen und ihn auf sein Leben erleuchtet, bis
er zuletzt, immer zunehmend, sich zum mächtigen
Besitz hinaufgeschwungen und als König und Überwinder
die benachbarten Künste, ja die ganze Natur zum
Tribute genötigt.
So würden wir nach und
nach vom Mechanischen zum Intellektuellen, vom Farbenreiben
und Saitenaufziehen zum wahren Einfluß der Künste
auf Herz und Sinn eine lebendige Theorie versammeln,
würden dem Liebhaber Freude und Mut machen, und
vielleicht dem Genie etwas nutzen.
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