Gemüther überhaupt zu der Sanftmuth und Empfindsamkeit
bilden, wodurch das rauhe Wesen, das eine übertriebene
Selbstliebe und stärkere Leidenschaften geben,
mit Lieblichkeit gemäßiget wird. Diese Schönheiten
sind einer in uns liegenden feineren Empfindsamkeit
angemessen; durch den Eindruk, den die Farben, Formen
und Stimmen der Natur auf uns machen, wird sie beständig
gereizt, und dadurch wird ein zarteres Gefühl in
uns rege, Geist und Herz werden geschäftiger und
nicht nur die gröbern Empfindungen, die wir mit
den Thieren gemein haben, sondern auch die sanften Eindrüke
werden in uns würksam. Dadurch werden wir zu Menschen;
[...]
Aber bey dieser allgemeinen Verschönerung der Schöpfung
überhaupt, hat die Natur es noch nicht bewenden
lassen. Vorzüglich hat diese zärtliche Mutter
den vollen Reiz der Annehmlichkeit in die Gegenstände
gelegt, die uns zur Glükseligkeit am nöthigsten
sind. Sie wendet Schönheit und Häßlichkeit
an, um uns das Gute und Böse kennbar zu machen;
jenem giebt sie einen höhern Reiz, damit wir es
lieben; diesem eine widrige Kraft, daß wir es
verabscheuen. [...]
[...]
[...] Ihr [der Kunst] kommt es zu, unsre Wohnungen,
unsre Gärten, unsre Geräthschaften, besonders
unsre Sprache, die wichtigste aller Erfindungen, mit
Anmuth zu bekleiden, so wie die Natur allem, was sie
für uns gemacht hat, sie eingepräget hat.
Nicht blos darum, wie man sich vielfältig fälschlich
einbildet, daß wir den kleinen Genuß einer
grössern Annehmlichkeit davon haben, sondern daß
durch die sanften Eindrüke des Schönen, des
Wohlgereimten und Schiklichen unser Geist und Herz eine
edlere Wendung bekommen.
Noch wichtiger aber ist es, daß die schönen
Künste auch nach dem Beyspiele der Natur die wesentlichsten
Güter, von denen die Glükseeligkeit unmittelbar
abhängt, in vollem Reize der Schönheit darstellen,
um uns eine unüberwindliche Liebe dafür einzuflössen.
Cicero scheinet irgendwo1
den Wunsch zu äussern, daß er seinem Sohne
das Bild der Tugend in sichtbarer Gestalt darstellen
könnte, weil dieser alsdann sich mit unglaublicher
Leidenschaft in sie verlieben würde. Diesen wichtigen
Dienst können in der That die schönen Künste
uns leisten. Wahrheit und Tugend, die unentbehrlichsten
Güter der Menschen, sind der wichtigste Stoff,
dem sie ihre Zauberkraft in vollem Maaße einzuflössen
haben.
[...]
Aber diese Feßlung der Gemüther ist noch
einem höhern Zwecke untergeordnet, der nur durch
eine gute Anwendung der Zauberkraft der schönen
Künste erreicht wird. Ohne diese Lenkung zum höhern
Zweck, wären die Musen verführerische Buhlerinnen.
Wer kann einen Augenblick daran zweifeln, daß
die Natur das Gefühl des sinnlichen Reizes unserm
Geist nicht in einer höhern Absicht gegeben, als
uns zu schmeicheln, oder uns blos
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