sehe. Ich sehe die Zeit kommen, wo mir Venedig viel
bieten wird. Wenn ich erst noch ein paar Jahre gründlich
so weiter fortschreite, ordentlich gelandschaftert und
Luft malen kann und Wasser, dann werde ich die Architektur
unterordnen und nur mehr in Licht und Farbe, Schiffe,
Wasser usw. malen. Lido, Chioggia. Ich werfe mich nicht
auf Dinge, die ich nicht bewältigen kann und geh
stufenweis vor. Aber jede neue Errungenschaft muß
auch zu einem Bild verarbeitet werden. Suche nur immer
den Grund, warum die Erscheinung interessant ist - das
gibt den Sitzplatz an die Hand, wenn du diesen Grund
in deinem Bild ändern deutlich machen willst. Daraus
entsteht ja eigentlich das Bild.
Zitiert nach: Carl Schuch 1846-1903,
Ausstellungskatalog Mannheim u. München 1986, wiederum
zitiert nach: Karl Hagemeister: Karl Schuch. Sein Leben
und seine Werke, Berlin 1913, S. 72-73.
Venedig,
[Winter 1878/79?]2
Ich habe auf meiner großen Leinwand gefühlt,
daß die Kraft der Farbe endlich für gewisse
Dinge nicht reichte in den Tiefen, die Schatten nun
bis hinab klar auszudehnen, in der Lokalfarbe entschloß
ich mich, in gewissen Teilen Kadmium zur Aufhellung
zu brauchen. Trübner hat mir das, Gott weiß
warum, verschwiegen, und eine genaue Prüfung seiner
Bilder denselben Vorgang gezeigt - vielleicht deshalb,
weil ich es dir auch verschweigen wollte: Wegen des
Mißbrauchs der Farbe. Man gewöhnt sich zu
leicht, mit diesem Gift zu hantieren und kommt vor lauter
Farbe zu Schmutz. Man muß das für die äußersten
Nöte sparen, wenn es wirken soll. Es ist wie mit
dem Glanzlicht, je mehr du machst je weniger wirkt es.
Es muß wie jede Farbe seine bestimmte Stellung
haben, und die keiner ändern usurpieren. Ich habe
damit mein System weiter ausgebaut und halte eine förmliche
Konsultation, ehe ich einen Gegenstand zu malen beginne.
Wenn ichs aufs Genaueste weiß, was zur Tonfarbe
zur Lokalfarbe gehört, bestimme ich jeder Farbe
ihre bestimmte Rolle und beginne. Anfänglich stürzte
mich das Kadmium in Konfusion - ich war nicht gewöhnt,
es in die Schatten zu nehmen und nahm es ganz verkehrt
ins Licht. In der Beschränkung zeigt sich erst
der Meister.
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