Bettina von Arnim an Moritz August von Bethmann-Hollweg
1838
Bettina v. Arnim am 11. Juli 1838 an
Moritz August von Bethmann-Hollweg (Professor an der
Universität in Bonn), Ehem. Herzogliche Sammlungen
auf Veste Coburg, zitiert nach: Rave WV Blechen 1940,
S. 47-50.
Lieber guter Hollweg! [...] Wenn ich Ihnen den Namen
Blechen nenne, so werden Sie sein Verdienst zu schätzen
wissen und auch einen Teil seines Verhältnisses
erraten, das ihn in diesen jammervollen Zustand brachte.
Die Bilder, die er in seiner letzten Zeit gemalt, und
worauf eine große Abspannung folgte, waren mit
so gewaltiger Phantasie, die, im Zügel gehalten
und der Natur treu sich anschmiegend, das Unmögliche
auf die Leinwand zauberte. In jedem kleinen Gegenstand
spiegelt sich die Aufregung des Gemüts, in dem
die Natur wühlt, um ihm begreiflich zu werden.
Dabei ist alles aufs innigste mit Fleiß und Demut
vollendet und in der Harmonie wie in einem Netz gefangen.
Unmöglich ist es, höheres Genie in irgendeinem
Kunstwerk jetzt lebender Künstler zu entdecken.
Allein, wie dem Fruchtbaum, je edler er ist, auch das
Klima um so günstiger sein muß, um ihn vor
Verderben zu schützen, so scheint es auch bei dem
Menschen der Fall zu sein, dessen Intellektion so vom
Genius aufgereizt ist, daß er mehr schafft, als
er selber begreift. Ich irre nicht, wenn ich Blechens
gestörte Organisation [zur Zeit der Abfassung des
Briefes saß Blechen im Irrenhaus] dem Mangel an
Teilnahme und Begriff seiner Mitwelt zuschreibe. Noch
erhitzt von den Steigerungen seines Innern bei so kühnen
Visionen prallte er von allen Seiten an das mauerfeste
Gefängnis der Philisterwelt, die ihn umgab. Kaltes
Mißverstehen, blödsinniges Urteil, neidisches
Verzerren seiner gigantischen Versuche machten ihn rasend,
und kein Tröpfchen Tau des Einverständnisses
sollte ihn erquicken. Entzweiung mit sich selber, Verwirrung
seines Instinktes war die Folge! War es optischer Betrug,
daß er die Welt so schaute, war er's allein, dem
die kühnen Massen, die er auf die Berge und Felsen
pflanzte, so edel und groß erschienen? Und das
Licht, das aus seinem Pinsel strömte, sollte das
bloß Fiktion sein und keine Wahrheit? Diese Streitfragen
haben ihn gewaltiger angegriffen wie wohl keinen anderen,
denn sein Alles stand auf dem Spiel, denn er war ganz
durchdrungen vom Geist seiner Kunst, es hatte kein anderer
Nebenzweck Platz in seiner Seele. [...]
[...]
Als ich bei ihm gewesen war und mit den Ärzten
gesprochen hatte, habe ich auf bloßen inneren
Antrieb, ohne zu wissen, wie mir's möglich sein
werde, das ganze Geschick des Malers auf mich genommen,
obschon ich kein Geld habe, über das ich frei disponieren
könnte. So versprach ich Hilfe zu schaffen und
habe seitdem einen glücklichen Anfang gemacht.
Ich kaufte eine Landschaft von ihm an mich, die zwar
klein, aber von der schönsten
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