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Quelle 4: Philipp Otto Runge in einem Brief an seinen Vater, 1802

Philipp Otto Runge in einem Brief an seinen Vater, aus: Werner Busch/Wolfgang Beyrodt (Hrsg.): Kunsttheorie und Malerei. Kunstwissenschaft (Kunsttheorie und Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Texte und Dokumente Bd. 1), Stuttgart 1982, S. 102-104.

                                                                                                                            Im Februar 1802 [Dresden]
Die Kunstausstellung in Weimar und das ganze Verfahren dort nimmt nachgerade einen ganz falschen Weg, auf welchem es unmöglich ist, irgend etwas Gutes zu bewürken. Die Aufgabe des Achills auf Skyros, wie sie sie da gaben, ist etwas Unerreichbares, die Motive, die so verwickelt sind, alle anschaulich zu machen, in einem Moment, ist etwas, das bei der Römischen Schule wohl bisweilen erreicht worden, aber wo das Sujet nicht ein aufgegebenes war. [...] Der Achill und Skamander, samt den Sachen, wie das nach und nach zur Vollendung gebracht werden soll, ist doch am Ende ein vergeblicher Wunsch; wir sind keine Griechen mehr, können das Ganze schon nicht mehr so fühlen, wenn wir ihre vollendeten Kunstwerke sehen, viel weniger selbst solche hervorbringen, und warum uns bemühen, etwas Mittelmäßiges zu liefern? - Die neue Aufgabe [für 1802: Perseus und Andromeda] "läßt viel Empfindung und Symbolisches zu;" nun können wir sitzen gehen und empfinden, das heißt uns: beim verkehrten Ende anfangen. - Der Tiresias ist "eine neue Entdeckung in der Komposition," - ja die Leute jagen nach Sujets, als wenn die Kunst darin stecke, oder als wenn sie nichts Lebendiges in sich hätten. Muß denn so etwas von außen kommen? haben nicht alle Künstler, die noch ein schönes Kunstwerk hervorbrachten, erst ein Gefühl gehabt? haben sie sich zu dem Gefühl nicht das passende Sujet gewählt? Wir sehen in den Kunstwerken aller Zeiten es am deutlichsten, wie das Menschengeschlecht sich verändert hat, wie niemals dieselbe Zeit wiedergekommen ist, die einmal da war; wie können wir denn auf den unseligen Einfall kommen, die alte Kunst wieder zurückrufen zu wollen? [...] Die Griechen haben die Schönheit der Formen und Gestalten aufs höchste gebracht in der Zeit, da ihre Götter zu Grunde gingen; die neuern Römer brachten die historische Darstellung am weitesten, als die katholische Religion zugrunde ging: bei uns geht wieder etwas zugrunde, wir stehen am Rande aller Religionen, die aus der katholischen entsprangen, die Abstraktionen gehen zugrunde, alles ist luftiger und leichter, als das bisherige, es drängt sich alles zur Landschaft, sucht etwas Bestimmtes in dieser Unbestimmtheit und weiß nicht, wie es anzufangen? sie greifen falsch wieder zur Historie und verwirren sich. [...]

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