Quellen zu Aufgabe Die
ideale und die erhabene Landschaft: Jakob Philipp Hackert
und Johann Christian Reinhart
Quelle 1: Johann Wolfgang von Goethe: Einfache
Nachahmung der Natur, Manier, Stil, 1789
Johann Wolfgang von Goethe:
Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Stil, in: Goethes
Werke, Hamburger Ausgabe, Bd. XII, Hamburg 1960, S.
30-34.
Es scheint nicht überflüssig zu sein,
genau anzuzeigen, was wir uns bei diesen Worten denken,
welche wir öfters brauchen werden. Denn wenn man
sich gleich auch derselben schon lange in Schriften
bedient, wenn sie gleich durch theoretische Schriften
bestimmt zu sein scheinen, so braucht denn doch jeder
sie meistens in einem eignen Sinne und denkt sich mehr
oder weniger dabei, je schärfer oder schwächer
er den Begriff gefaßt hat, der dadurch ausgedrückt
werden soll.
Einfache Nachahmung der Natur
Wenn ein Künstler, bei dem man das natürliche
Talent voraussetzen muß, in der frühsten
Zeit, nachdem er nur einigermaßen Auge und Hand
an Mustern geübt, sich an die Gegenstände
der Natur wendete, mit Treue und Fleiß ihre Gestalten,
ihre Farben auf das Genaueste nachahmte, sich gewissenhaft
niemals von ihr entfernte, jedes Gemälde, das er
zu fertigen hätte, wieder in ihrer Gegenwart anfinge
und vollendete, ein solcher würde immer ein schätzenswerter
Künstler sein: denn es könnte ihm nicht fehlen,
daß er in einem unglaublichen Grade wahr würde,
daß seine Arbeiten sicher, kräftig und reich
sein müßten.
Wenn man diese Bedingungen genau überlegt, so sieht
man leicht, daß eine zwar fähige, aber beschränkte
Natur angenehme, aber beschränkte Gegenstände
auf diese Weise behandeln könne.
Solche Gegenstände müssen leicht und immer
zu haben sein; sie müssen bequem gesehen und ruhig
nachgebildet werden können; das Gemüt, das
sich mit einer solchen Arbeit beschäftigt, muß
still, in sich gekehrt und in einem mäßigen
Genuß genügsam sein.
Diese Art der Nachbildung würde also bei so genannten
toten oder stilliegenden Gegenständen von ruhigen,
treuen, eingeschränkten Menschen in Ausübung
gebracht werden. Sie schließt ihrer Natur nach
eine hohe Vollkommenheit nicht aus.
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