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worden.3 Aber erst mit dem sechszehnten Jahrhunderte erschien der helle Tag wieder, und verbreitete sein Licht über den ganzen Umfang der schönen Künste. Schon lange vorher hatte der Reichthum, den sich verschiedene italiänische Freystaaten durch Handlung erworben, sie auf einige Zweige der angenehmen Künste aufmerksam gemacht. Stüke von griechischen Werken der Baukunst und Bildschnitzerey wurden aus Griechenland nach Italien, besonders nach Pisa, Florenz und Genua gebracht, und man fieng an die Schönheit daran zu fühlen, auch hier und da nachzuahmen. Aber eine weit wichtigere Würkung thaten die Werke der griechischen Dichtkunst und Beredsamkeit, die bald hernach durch die aus dem Oriente nach Italien geflüchteten Griechen allmählig bekannt wurden. Da sah man die Früchte des Geschmaks dieser Zweige der Kunst wieder in ihrer Reife, und dadurch wurde man angetrieben auch das, was in andern Gattungen noch hier und da übrig geblieben war, aus den Ruinen wieder hervor zu suchen. Der Geschmak der Künstler wurde wieder geschärft; der Beyfall und Ruhm, den einige durch Nachahmung alter Werke erhalten, zündete auch in andern das Feuer der Nacheiferung an, und so erhoben sich die Künste wieder aus dem Staub empor, und breiteten sich aus Italien allmählig in dem ganzen Occident, und auch bis nach Norden aus. Man merkte durchgehends, daß die Werke der alten Kunst die Muster wären, an die man sich zu halten hätte, um allen schönen Künsten ihre beste Gestalt wieder zu geben. Da zugleich eine gesundere Politik mehr Ruhe in die Staaten eingeführet, denen sie eine grössere Festigkeit gegeben hatte, so nahm auch die Liebe zu den schönen Künsten dadurch zu, und so bekamen sie allmählig den Flor, in welchem wir sie gegenwärtig sehen.
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Daß sie jemals unter irgend einem Volke diese Vollkommenheit erreicht haben, kann mit Gewißheit nicht behauptet werden; daß aber eine Zeit gewesen sey, wo sie sich derselben genähert haben, scheinet gewiß. Die Griechen hatten von den schönen Künsten den richtigen Begriff, daß sie zu Bildung der Sitten und zu Unterstützung der Philosophie, und selbst der Religion dienen. Darum ließen sie es auch an Aufmunterung der Künstler durch Ehre, Ruhm und andre Belohnung, nicht ermangeln. [...]
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Dann scheinet es auch, daß man überhaupt von ihrer [der Künste] Wichtigkeit und ihrer Anwendung die wahren Begriffe verlohren habe. Der deutlichste Beweis hiervon ist die so gar unüberlegte Wahl der zu bearbeitenden Materien. Auf unsern Schaubühnen sieht man hundertmal den Apollo, die Diana, den Oedipus, Agamemnon, und andere erdichtete oder uns vollkommen gleichgültige Götter oder Helden, gegen einen, dem wir etwas zu danken haben. Man weiß dem Mahler eben so viel Dank, wenn er eine abgeschmakte und nicht selten auf Verderbniß der Sitten abzielende Anekdote aus der Mythologie mahlt, als wenn er einen edlen Innhalt gewählt hätte; [...]

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