Quelle 6: C. P. Bock über das Rathaus zu Aachen
C. P. Bock: Das Rathaus zu Aachen.
Schutzschrift für die unverletzte Erhaltung des
Deutschen Krönungssaales, Aachen 1843.
Der herrliche, großgemessene Saal, welcher das
ganze obere Geschoß des Rathhauses zu Aachen einnimmt,
bietet nicht blos für den Eingebornen der Kaiserstadt,
sondern für jeden Verehrer der vaterländischen
Kunst und Geschichte ein doppeltes Interesse dar. Einestheils
darf derselbe als der eigenthümliche Schauplatz
der Feste, welche die Krönungen der Deutschen Kaiser
begleiteten, die Achtung der Gegenwart und Nachwelt
mit vollem Rechte in Anspruch nehmen. Allein, auch abgesehen
von den geschichtlichen Erinnerungen, welche an dieses
Bauwerk sich anknüpfen, fordert dasselbe, an und
für sich die rühmende Anerkennung eines jeden
sinnigen Beschauers, und zwar in dem Maaße, wie
sie den kühnsten und großartigsten Leistungen
der bürgerlichen Architektur des späteren
Mittelalters nur zugestanden werden mag. Gewiß
war es ein löblicher Gedanke, die traurige Entstellung
zu beseitigen, in welcher der Krönungssaal heute
unsern Blicken sich zeigt, und die neuere Kunst zu einer,
des Ortes würdigen Ausschmückung aufzufordern.
[...] Sobald die Restauration des großen Rathhaussaales,
woran das Publikum den eifrigsten Antheil zu nehmen,
zu keiner Zeit unterlassen hat, Gegenstand öffentlicher
Besprechung wurde, äußerte sich alsbald über
die Art und Weise, wie dieser Zweck verwirklicht werden
sollte, eine Meinungsverschiedenheit, deren Vermittlung
höchst schwierig ist, weil sie den Grundgedanken
betrifft, von welchem das ganze Unternehmen ausgehen,
und worauf jede damit verbundne Bemühung sich rückbeziehen
soll. Während von der einen Seite, die sich jeder
amtlichen Unterstützung erfreuen konnte, eingestandnermaßen,
nur die Absicht verfolgt wurde, den Saal zu einem Prunk-
und Schaustück zu gestalten, welches müßige
Fremde anlocken, und zu längerem Verweilen veranlaßen
sollte: erhob sich zugleich eine, nicht blos von dem
intelligentesten Theile, sondern auch von der überwiegenden
Mehrheit der Einwohnerschaft unterstützte, entgegentreiende
(sic) Ansicht, welche die geschichtliche Bedeutsamkeit
des Gebäudes vollständig anerkannt, und durch
keine anderweitige Nebenrücksicht in den Schatten
gestellt wissen wollte. [...] [E]rst, nachdem die vollständige
Erkenntniß gewonnen sei, in wie fern, und durch
welche Mittel die Wiederherstellung des Saales in seiner
reinen, ursprünglichen Gestalt, ohne alle unnöthige
Zuthat oder Beschränkung, erzielt werden könne,
die passende künstlerische Verzierung im Innern
desselben zur Sprache gebracht, und daß eine sinnvolle
Beziehung derselben zu der eigentlichen Bestimmung und
der Geschichte des Baudenkmals nicht übersehen
werden dürfe. [...]
[...] Entweder überliefern wir, in der reinen einfachen
Gestalt, wie der Meister des Baues sie erdacht, dem
Nachkommen ein glorreiches Denkmal, das, sowohl in seiner
ganzen Einrichtung, wie in jeder Einzelnheit, und
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