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Tischbein, Conradin von Schwaben und Friedrich von Österreich vernehmen beim Schachspiel ihr Todesurteil, 1784

Ziel zu erreichen, muß jegliches Individuelle des Kunstwerks in einer ideal gedachten Schönheit aufgehen.
Der Aufsatz "Über die bildende Nachahmung des Schönen" ist ein zentrales Dokument für die Entwicklung des Kunstbegriffs der beginnenden Moderne, und er steht am Anfang einer ganzen Reihe von theoretischen Werken zur Autonomie der Kunst. Weitere Etappen dieses Prozesses markieren Goethes prägnanter Aufsatz "Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Stil" (1789, siehe Lektion 2), Passagen aus Kants "Kritik der Urteilskraft" (1790) sowie Schillers Ästhetische Briefe der Jahre 1793 bis 1796. Alle diese Schriften zusammengenommen übten eine starke Wirkung auf die Kunstanschauung der Romantik aus.

Tischbein und Carstens

Die Vorstellungen vom Wesen der Kunst, von Theoretikern formuliert, beeinflußten auch das Feld der Praxis. Im Mittelpunkt dieser Lektion stehen drei Künstler: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829) und Bernhard Rode (1725-1797) einerseits

sowie, auf der anderen Seite, Asmus Jakob Carstens (1754-1798).Tischbein und Carstens waren fast gleichaltrig. Sie suchten beide ihre Betätigung auf dem Feld der Historienmalerei und sahen einen Aufenthalt in Rom als wichtige Grundlage ihres Schaffens an. Als weitere Gemeinsamkeit kann man anführen, daß beide Künstler äußerst theoriegeleitet waren. Hierin liegt zugleich ihre größte Diffrerenz, denn sie fühlten sich konträren ästhetischen Konzepten verpflichtet.
Stellte Tischbein nämlich (wie auch Rode) sein ganzes Wirken in den Dienst des von Sulzer repräsentierten Weges, so orientierte sich Carstens an den Schriften seines Freundes Moritz. Selten sind Theoretiker und Künstler so eng aufeinander bezogen wie hier. Carstens und Moritz waren sich in Berlin begegnet, nachdem letzterer aus Italien zurückgekehrt war.
Moritz' Theorie von der Autonomie der Kunst ließ den Künstler an Sphären der Erkenntnis teilhaben, die den Schöpfenden als Vermittler zwischen den Menschen und einem Absoluten auswies. In der Praxis äußerte sich diese Rollenzuweisung in der Ausprägung eines neuen Künstlerhabitus'. Carstens, der sich seines künstlerischen Ingeniums durch und durch bewußt war, und der für sich das Recht reklamierte, sich ausschließlich seinem Talent verschreiben zu dürfen, verkörperte diesen in einer für das deutsche Publikum völlig neuen Weise.

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