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zu schwacher und ungewichtiger Mittelpunkt für die Welt umfassende Umgebung, die Kaulbach ihnen zudenkt; für das Auge würde Kaulbach's Kunst und Talent wohl diesen Uebelstand beseitigen, für die Idee aber kann dasselbst sein Genie nicht.
Und diese Welt-Umgebung, diesen geistigen neuen Kosmos muß er doch hinzuthun, wenn er die weltgeschichtliche Bedeutung des Bildes klar machen will. Die Reformation allein kann er nicht malen, weder in symbolischer, noch in historischer Auffassung. Für diese Stelle, als Schlußbild, ist sie doch nur im welthistorischen Zusammenhange, dessen Mittelpunkt sie wohl geistig ist, es aber nicht äußerlich sein kann.
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[...] Aber hier, an der sechsten Stelle, als Schlußbild möchte ich doch etwas Anderes, als ein solches Gedankenbild: ich möchte, um der Sache und um Kaulbach's willen, etwas Ergreifendes, Gewaltiges, Fortreißendes; etwas, in dem Bedeutung und Erscheinung, Factum und Symbol, Idee und Wirklichkeit ganz Eins wären; ich möchte eine in ihrer Bedeutung eben so mächtige, als in ihrer malerischen Erscheinung würdige und schöne Handlung! [...] Glauben Sie, daß man zu dem Bilde, wie er es entwirft, jemals warm werden würde, und wenn er in die Einzelheiten desselben alles Feuer seines Geistes hineinlegte? Es wird göttlich warm sein im Vergleich mit dem berühmten französischen Hémicycle; es wird lebendig seyn im Vergleich mit dem schönen Overbeckschen Bild der Künste in Frankfurt; aber es wird doch kalt sein, wie selbst die Schule von Athen in gewissem Sinn in aller ihrer Schönheit kalt ist; denn es wird, wie diese, ein Bild sein, das man studirt. - Der Künstler mag mit aller seiner Kunst und allem seinem Genie daraus machen was er will: über den innersten Mangel im Gegenstande kommt Keiner hinaus.
Und glauben Sie mir, alle diejenigen, die jetzt so sehr nach der Reformation schreien, werden ihn am ersten im Stich lassen. Denn diese denken sich unter der Darstellung der Reformation etwas ganz Anderes - sie erwarten ein historisches Genre-Bild aus der Reformationszeit, nach der neuen beliebten Manier. Diesen Schreiern nach der Reformation genug zu thun, darauf mag er nun von vorn herein verzichten, wenn er, wie es sich gehört, und wie er es nicht anders kann, ein wahrhaft historisches Bild im künstlerischen Sinn, welches zugleich nicht allegorisch, sondern symbolisch ist, malen will. Ich begreife, daß ein großer Reiz für einen Geist wie Kaulbach darin liegen mag, einen in sich so großartigen, bedeutenden, und doch widerstrebenden und spröden Stoff zu bewältigen, und auch aus diesen auseinandergehenden Elementen ein einheitliches Bild herzustellen. [...]
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