Staat ist es nicht, sondern ein paritätischer,
und seine Finanzen und Steuern insbesondere sind nicht
evangelisch. Auch die Kunst in Preußen,
so sie in großen Momenten und monumentalen Schöpfungen
ins Leben hineintritt, ist nicht evangelisch, sondern
menschlich und deutsch, wenn man will, paritätisch,
d.h. sie steht außer dem Gegensatze und darf diesem
Gegensatze nicht dienen, wie sie doch dann thun würde,
wenn sie die Reformation verherrlichte.
Und verherrlicht müßte die Reformation doch
werden, wenn sie überhaupt einmal gemalt wird;
dazu bin ich nun wieder ein viel zu guter Protestant,
als daß ich die Reformation gemalt sehen möchte
als ein bloßes historisches Ereigniß,
von dem neutralen Standpunkte aus, dem Evangelium und
Romanismus einerlei und gleichberechtigt wären.
So, wie auch die Katholiken die Reformation
gelten lassen können, wird Kaulbach sie nicht malen
wollen und nicht malen können; sonst wäre
er ohne das Herz, was neben der Phantasie auch zum Künstler
gehört. Wird sie gemalt, so muß sie
auch in ihrer tiefsten, segensreichen Bedeutung gemalt
werden, als die Rückkehr zu dem einfachen und wahren
Christenthum, als die Befreiung der Geister, als der
Anfang eines neuen Lebens, als eine neue Ausgießung
des Geistes Gottes! Wenn sie nicht als solche große
That Gottes mit überzeugender siegreicher Gewalt
auch im Bilde uns entgegentritt, so will ich sie lieber
gar nicht im Bilde haben. - Als solche aber sie an monumentaler
Stelle im Kunsttempel für das ganze Land hinzustellen,
dazu hat der paritätische Staat kein Recht.
[...]
Dazu kommt nun bei mir auch noch ein großes Bedenken
vom malerischen Standpunkte aus. Der eigentliche, innerste
Kern der Reformation, der darin besteht, daß sie
des Menschen Ich frei gemacht, indem sie es ganz unmittelbar
Gott gegenüber, und das persönliche Verhältniß
zu Ihm wieder hergestellt hat, läßt sich
nicht darstellen. Gerade in dieser Befreiung des Individuums,
in dem allerpersönlichsten, liegt ihre welthistorische
Bedeutung. Diese ist durch das Wort geschehen;
>Worte und Gebete lassen sich nicht malen<, sagt
Kaulbach. Es giebt keine historische symbolische Handlung,
in welcher sich diese Bedeutung concentrirt, wie in
einem Brennpunkte versammelte. Man könnte sagen,
sie hat sich in den Worten Luthers: >hier stehe ich;
ich kann nicht anders< ausgesprochen; aber diese
Scene, den bunten Reichstag zu malen, hat Kaulbach,
wie es scheint, garnicht einmal ins Auge gefaßt;
und mit vollem Recht. Jene Worte lassen sich
eben doch nicht malen; und wenn Kaulbach auch in dem
Luther wohl einen ändern Bekenner hingestellt haben
würde als der schwindsüchtige Professor Huss
Lessings ist: so würde doch weder der Mann noch
der Akt jemals dem Beschauer den Eindruck jener Worte
machen können. - [...]
Die predigenden und das Sacrament spendenden Geistlichen
sind, der Idee wie der Erscheinung nach, ein viel
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