H. v. Abeken an den Freiherrn v. Bergh
H. v. Abeken an den Freiherrn v. Bergh,
Berlin, 28. Feb. und 7. März. 1859, in Abschrift
Josephine Kaulbachs, Bayerische Staatsbibliothek, Kaulbach-Archiv
VI,6a, zitiert nach: Annemarie Menke-Schwinghammer:
Weltgeschichte als >Nationalepos<. Wilhelm von
Kaulbachs kulturhistorischer Zyklus im Treppenhaus des
Neuen Museums in Berlin, Berlin 1994.
Verehrtester Gönner!
Indem ich Ihnen mit vielem Danke Kaulbach's Brief [den
Brief an den Freiherrn von Bergh, vom 29. 11. 1858]
zurücksende, muß ich um Erlaubniß bitten,
ihn mit einigen flüchtigen Bemerkungen zu begleiten,
die Sie meinem Interesse für die Sache verzeihen
werden.
Gewiß hat Kaulbach Recht, daß der Gegenstand
des sechsten Bildes nur eine große weltgeschichtliche
Periode sein darf, als Schluß würdig des
Anfanges, der Völkerzerstreuung. Was die beiden
von Herrn v. Olfers vorgeschlagenen Gegenstände
betrifft, so hat er in Bezug auf den einfachen Wortlaut,
wie er ihn wiedergiebt, wohl auch Recht, daß
diese Ereignisse: der Landfrieden Kaiser Maximilians
oder die Einweihung des Coelner Doms, weder malerisch
noch würdig genug sind. Aber er thut doch wohl
Herrn v. Olfers Unrecht, der diese Gegenstände
nicht in ihrer unmalerischen Vereinzelung, sondern in
höherem Sinn aufgefaßt wissen wollte: den
Landfrieden Maximilians nur als rückblickenden
Abschluß der Vergangenheit - den Coelner Dom
als prophetisches Bild einer Zukunft, in welcher
die Gegensätze, welche die Gegenwart noch verwirren,
ausgeglichen sein, und dem zerstörten Thurm von
Babel eine hergestellte, vereinte christliche
Kirche gegenüber stehen würde. [...]
[...]
Aber - sagt man mir ferner - die Reformation ist ja
doch einmal ein historisches Ereigniß,
und als solches können es auch die Katholiken anerkennen,
ja, zugeben, daß es manche heilsamen Folgen auch
für sie gehabt habe. - Was das letzte betrifft,
so würden die Katholiken diese heilsamen
Folgen wohl etwa nur in der Weise anerkennen können,
wie wir auch aus der Fremdherrschaft, ja aus dem Jahre
der Anarchie 1848 heilsame Folgen für uns zugeben;
und beide würden wir doch wahrhaftig nicht malen
wollen! Seien wir doch billig und bedenken, daß
zwei Fünftel der Bevölkerung nun einmal auf
diesem Standpunkte stehen! Ich lasse mich auch garnicht
irre machen, durch den Spott, als nähme ich zarte,
ängstliche Rücksichten auf diese zwei Fünftel.
Es handelt sich nicht um Delikatesse und Zartgefühl;
es handelt sich um ein bestimmtes Recht dieser zwei
Fünftel! Preußen hat, Gottlob! eine evangelische
Dynastie und ein erfreulich evangelisches Volk; aber
ein evangelischer
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