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Hackert, Blick auf die Villa Albani in Rom I, 1779

Die Idee der Urpflanze

Für Goethe mußte ein Kunstwerk, das mit vollem Recht den Namen Kunstwerk verdiente, am Ideal teilhaben, denn nur so konnte es eine allgemeine Gültigkeit beanspruchen. Dabei war die Kunst für Goethe kein autonomes Feld, vielmehr war sie Teil einer angewandten Naturanschauung. Kunst war die Gestaltung allgemeiner Prinzipien in einem spezifischen Medium, und die Allgemeingültigkeit aller Formen war für Goethe in der Natur begründet.
Die enge Verbindung von Kunst- und Naturanschauung war es, die Goethe von Moritz unterschied. Zentral ist dabei die Idee der "Urpflanze", auf die er erstmals 1787 gekommen war, als er im botanischen Garten von Palermo seine Studien trieb. Die Urpflanze ist ein Gedankenmodell, das Goethe, wie er glaubte, in den Stand setzte, über die existierende Vielfalt der Arten hinaus Phänomene zu erfinden, die keine Phantastereien wären, sondern denen Wahrheit und Notwendigkeit zugesprochen werden kann. Im Juni 1787 schrieb er an Charlotte von Stein: "Die Urpflanze wird das

wunderlichste Geschöpf von der Welt, um welche mich die Natur selbst beneiden soll. Mit diesem Modell und dem Schlüssel dazu kann man alsdann noch Pflanzen ins Unendliche erfinden, die konsequent sein müssen, das heißt: die, wenn sie auch nicht existieren, doch existieren könnten und nicht etwa malerische oder dichterische Schatten und Scheine sind, sondern eine innerliche Wahrheit und Notwendigkeit haben. Dasselbe Gesetz wird sich auf alles übrige Lebendige anwenden lassen."
Goethe sah im eingehenden Naturstudium die Möglichkeit, die Naturgesetzlichkeit zu erkennen und im Fortfahren auf dieser Bahn zu eigenen, künstlerischen Schöpfungen zu gelangen, denen ebenfalls Wahrheit und innere Notwendigkeit eigen seien. Der Künstler, welcher so die Wesenheit der Dinge erkenne, setze die Produktivität der Natur fort, das Kunstwerk sei gesteigerte Natur, in dem die Subjektivität des Künstlers mit der Objektivität der Natur zusammenkomme.
Diese Gedanken, zusammen mit den Ausführungen Friedrich Schillers, wurden von Landschaftsmalern wie Jakob Philipp Hackert (1737-1807) und Johann Christian Reinhart (1761-1847) aufgenommen, die sich fragten, wie ihre Hervorbringungen auf dem Feld der Landschaftsmalerei "wahre Kunst" sein können. Auch die nachfolgende romantische Landschaftsmalerei stellte sich die Frage, was durch die Natur zum Ausdruck komme, sie kam jedoch zu gänzlich anderen Lösungen.

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