Römische Baukunst als Rohstoff
architektonischer Gestaltung
Ein entscheidender Unterschied zum Klassizismus
besteht auch darin, daß es den Architekten in Renaissance
und Barock selten um die genaue Nachahmung bestimmter antiker Bauwerke
gegangen ist. Diese Absicht kennzeichnet erst den Klassizismus der
Zeit um 1800: ausgehend von einem Verständnis der Geschichte
als einer exakten, objektiven Wissenschaft wurden in der Architektur
die Ergebnisse präziser archäologischer Forschung umgesetzt.
Dafür steht links der Klassizismus eines Thomas Hamilton.
Für die Architekten in Renaissance und
Barock war das Formengut der römischen Antike dagegen eher
ein Rohstoff der Gestaltung, ein Fundus an Material für eigene
Inventionen. Diese bieten keine Rekonstruktionen, sondern verweisen
auf das Leitbild der Antike und interpretieren es dabei jeweils
aufs Neue, wie es die Karlskirche des Fischer von Erlach erweist.
In diesem Sinn könnte man die Architektur
der frühen Neuzeit als eine Phantasiekunst bezeichnen: "Das
Gestalten bestand nicht darin, antike Bauformen zu wiederholen,
antike Motive wie aus einem Baukasten zu nehmen und neu anzuordnen,
sondern alle Vorbilder, alles Wissen, alle Anregungen der eigenen
Phantasie zu unterwerfen und aus ihr ein Neues, Ganzes zu gewinnen,
in dem die Antike' aufgehoben war" (Erich Hubala).
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