Quellen
zu Aufgabe Möglichkeiten und Grenzen der realistischen
Malerei: Adolph Menzel
Quellengruppe 1: Malerei allgemein
Förster 1830: Über Stil und Natürlichkeit
Ernst Förster: Untersuchungen
über den Unterschied zwischen Genre und Historie
in der bildenden Kunst, in: Kunstblatt, Jg. 11 (1830),
Nr. 68 (26. Aug.), S. 269-271, Nr. 69 (31. Aug.), S.
273-274, Nr. 70 (2. Sept.), S. 278-280, Nr. 71 (7. Sept.)
282-284, hier S. 273.
Ist es nämlich charakteristisch für das Genre,
durch treue Nachbildung des Natürlichen zu reizen,
so ist das Nächste die Frage nach diesem Reiz,
und man findet ihn in den kleinen Zufälligkeiten
des Lebens, in häuslicher oder ländlicher
Unordnung (der grata negligentia), in dem Durcheinander
und überhaupt in dem absichtlosen Sichselbstgestalten
der Natur. Dieser Reiz kann Einen dann allerdings verführen,
daß man nur das allgemeine Natürliche am
Gegenstand im Auge behält, etwa am Abraham, daß
er ein Hirt, am Petrus, daß er ein Fischer war,
wie sich's wohl auch in der Musik trifft, daß
es einem Tonsetzer bei der Komposition des Erlkönigs
auf den hin- und herwogenden Nebel, beim Fischer auf
das Wellenrauschen ankommt, (welches aber schon an das
Extrem des Genremäßigen gränzt). Die
historische Auffassung, treu dem ersten Impuls, hält
sich dagegen in geistiger Höhe, vermeidet Alles,
was nicht durch die einfachste Erfassung des Gedankens
der Aufgabe bedingt ist, hält sich mehr oder weniger
an überlieferte Formen*)1,
welche durch die mannichfaltigen der Natur zwar weiter
gebildet, aber nicht verdrängt werden können,
und geht nicht sowohl in die Breite als in die Tiefe
der Erscheinungen psychologisch ein. So tritt der Styl,
als Eigenthum der historischen Auffassung gegenüber
der Natürlichkeit des Genre, Wahrheit der Wirklichkeit
und die unterscheidende Erklärung lautet: Die historische
Kunst bedient sich des Zufalls, allein mit Herrschaft
über ihn; das Genre hingegen wird von ihm beherrscht;
oder mit andern Worten: In der historischen Kunst ist
der Styl, im Genre dagegen die Natur überwiegend.
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