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mit der geistigen Thätigkeit des Beschauers gedacht werden und sind auf diese angewiesen.
[...]
Betrachtet man den ganzen Cyclus der Darstellungen im Museum, so geht der eine Gedanke hindurch die Menschheits-Geschichte in einzelnen großen wichtigen Momenten zur Anschauung zu bringen. Aus dem unendlichen Meere des Geschehenen tauchen aber nur einige Sonnenbeleuchthete Gipfel hervor. Zwischen ihnen liegt ein weites Land das sich der Beschauer selbst bevölkern möge. Bis zum sechsten Bilde geht derselbe an der Hand der erklärenden Geschichte.
Hier ist alles klar, faßlich, gegeben. Die Vergangenheit ist unser Besitztum. Die Weltgeschichte, die Geschichte der Menschheit endet aber nicht mit der Gegenwart. Die verhüllte, geahndete Zukunft liegt vor uns. Treten wir nun in dieses Schauspiel der werdenden Menschheit hinein, so schauen wir, wie das Janushaupt rückwärts und vorwärts. Wir beziehen das Gewordene auf das Werdende. Nirgend schließt sich für uns die Geschichte ab. - Wo wäre das Ereigniß, die Handlung eines Menschen, zu finden, welche einen solchen Aufschluß böten. Nur immer ein neues Moment der Anknüpfung für ein Werdendes ist jede Geschichts-Epoche. - In einem Cyclus von Darstellungen der die gesammte Menschheits-Geschichte zum Gegenstande hat, scheint mir nun, nur solch ein Vorwurf der zwingende Schluß zu sein, der eine möglichst weite Perspective in die Zukunft eröffnet. Gerade hier würde eine, an sich abgeschlossene Handlung, so groß sie auch wäre, mir nicht genügen. Gerade hier stellt sich die Berechtigung für den Künstler heraus, seinen symbolischen Schöpfungsgang (räumte man diesen ihm ein, bei den früheren Bildern) zu gipfeln und zum höchsten Ausdrucke zu bringen. Ja! nach meiner Ueberzeugung fordert das Ganze einen solchen Abschluß. Wo wäre er nun besser zu finden als in jenen großartigen Erscheinungen, welche das Mittelalter abschließen und die neuere Zeit im Keime tragen, die noch immer fortwirkend, in einer noch lange nicht abzugränzenden Zukunft, ihre belebende Kraft offenbaren werden. Der erste Gedanke Kaulbachs den er mir vor Jahren schon mittheilte erfüllte mich mit Bewunderung und Freude. Ich pries ihn glücklich daß er einen solchen Schluß für sein großes Werk gefunden hatte. Dieses sechste Bild erschien mir gleich als das vorwärts schauende Janus-Haupt. [...]
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Die Furcht theile ich nicht daß eine solche Darstellung die Beschauenden kalt lasse. Der Sinn des Volkes für die großen Ideen der Zukunft ist nicht erstorben. Das Bedeutsame welches zum Nachdenken anregt, ist ihm bei gehöriger Verständigung, willkommen, wenn es überdem in schöner Form erscheint.
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