Quelle 5: Bericht Alfred Rethels über seine
Entwürfe für Aachen
Zitiert nach: Josef Ponten (Hrsg.):
Alfred Rethel. Des Meisters Werke in 300 Abbildungen
(Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben Bd. 17), Stuttgart/Leipzig
1911, S. 184-187.
Die Geschichte Karls des Großen ist so
reich und fruchtbar für künstlerische Darstellung,
daß, wenn auch nicht durch den Raum, wie dies
bei dem Aachener Unternehmen der Fall ist, Beschränkung
geboten würde, doch schon die Masse des Stoffes
erforderte, das Wesentliche von dem Minderbedeutenden
zu unterscheiden und Momente aufzusuchen, welche den
Hauptinhalt der karolingischen Geschichte mit scharfen
Zügen bezeichnen; nach diesem Grundsatz mußten
Szenen, welche der Sage oder einer späteren Erfindung
ihren Ursprung verdanken, aus meinen Kompositionen ausgeschlossen
bleiben. [...] Nur für die zweite Komposition,
die Schlacht bei Kordova 778, glaubte ich, weil die
Quellen, die ich bei Pertz, Monumenta Germaniae historica
I. II. nachgesehen, nichts Näheres über den
Hergang berichten, von meiner Regel insoweit abweichen
zu dürfen, als ich, nach Turpins poetischer Bearbeitung
(Friedrich Schlegels Werke, Bd. 8 S. 57) aus der Sage
das Faktum ergänzte. Da diese ganze Unternehmung
Karls ein abenteuerlich-romantisches Gepräge trägt
und jene phantastischen, zauberischen Gestalten dem
Islam in seiner erobernden Epoche vorzüglich eignen,
so verschwindet der Schein des Willkürlichen in
meiner Aufstellung gleichsam von selbst und nimmt das
Vorrecht künstlerischer Freiheit in der Behandlung
für sich in Anspruch. Das Historisch-Bedeutsame
aber, welches mich bestimmt, gerade diesen Gegenstand
unter die Hauptkompositionen mit aufzunehmen, liegt
für mich darin, daß die Zeit der Kreuzzüge
sowie überhaupt das ganze Mittelalter seine kirchlichen
und staatlichen Verhältnisse, die Kaiser ihre Prätensionen,
die Päpste ihre an sie gemachten Schenkungen auf
Karl zurückführten, in diesem Heerzug gegen
die Ungläubigen ein großartiges, ihren Glaubenseifer
und Heldenmut mächtig anfeuerndes Beispiel kaiserlicher
Ritterlichkeit verehrten. [...] In bezug auf die Wahl
der historischen Gegenstände ließ ich mich
durch den Grundgedanken bestimmen, der sich in Karls
Leben ausspricht und in seinen geschichtlichen, folgereichen
Unternehmungen immer wiederkehrt: Durchdringung des
Staates mit christlichen Prinzipien, Ausrottung und
Umgestaltung der heidnischen Natur und Verhältnisse,
bewerkstelligt durch Einführung des Christentums,
als dessen Haupt der Papst gedacht wurde. Karl erscheint
wie überall als der christliche Held, der Gegensatz
gegen Heidentum und Mohammedanismus. Dieser Gedanke
spricht sich zunächst in der Komposition, die den
Zyklus eröffnet, in dem ersten Sieg Karls über
die Sachsen bei Paderborn 772 aus. Durch
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