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Quelle 3: Lessing über sein Bild "Hus in Konstanz"

Briefe Karl Friedrich Lessings. Mitgeteilt von Dr. Theodor Frimmel, in: Zeitschrift für Bildende Kunst, Bd. 17 (1882), S. 185-191, 224-228, hier S. 225.

Düsseldorf d. 2. März 1843
Geehrtester Herr Doktor.
In Ihrem gütigen Schreiben vom 15ten vorigen Monats legen Sie mir über mein Bild ein Paar Fragen vor, welche schön öfterer an mich gerichtet worden sind, und zwar ob ich mir unter den dargestellten Figuren bestimmte historische Personen gedacht habe und der Saal ebenfalls ein bestimmter sei. Dem eigentlichen Geschichtsforscher der an historische Bilder Anforderungen macht wie an ein Geschichtswerk, kann ich nur das erwidern, daß ich absichtlich all die Hauptsprecher des Conzils der Reihe nach vermieden habe, so auch die Gegenwart Siegesmunds (der im Bilde doch mehr sagen würde als es in der Wirklichkeit geschehen ist) in (?) der öffentlichen Sitzung daher auch den bekannten Saal zu Kostnitz, der noch heut zu Tage gezeigt wird. Das speziell-Geschichtliche schien mir nicht wesentlich, ja fast ganz unmalerisch, und obenein in den Quellen nicht einmal übereinstimmend. Mein ganzes Streben war nur dahin gerichtet, den damaligen Zustand der Kirche (der keineswegs durch jene einzelnen Männer welche uns bekannt sind hinreichend bezeichnet wird) durch die Umgebung von Huß zu versinnlichen und welche Motive ihn verdammt haben. Besonders habe ich nie daran gedacht an die öffentliche Sitzung, wo ich eine unsägliche Menge Ceremoniell und Statisten mit einzuflicken bekommen hätte. Die einzige Figur des Johannes Chlum (der Ritter von der Säule links) habe ich aber nicht unterlassen können anzubringen. Wollte ich noch einige meiner Figuren mit Namen bezeichnen, was würde das helfen denn ich habe das ganze Bild von einem andern Standpunkte gemalt als der ist, der vielleicht oder vielmehr gewiß von vielen Seiten lieber gewünscht worden wäre.
Noch möchte ich Ihnen, geehrtester Herr Doktor etwas beichten, wonach Sie mich nicht gefragt haben. Man hat mir vorgeworfen, ich habe es wenigstens sehr oft anhören müssen da ich's selbst nicht gelesen, daß ich dieses Bild aus Haß gegen die katholische Kirche gemalt habe. Da irrt man sich aber gewaltig, ich müßte nichts von der Geschichte wissen, dann könnte mir wohl etwas derart in den Sinn kommen. Ich habe vielleicht eine größere Achtung vor ihrer Kirche als Viele, die sich zu ihr bekennen. Soll mein Respekt aber so weit gehen, daß ich als Maler keinen Stoff behandeln soll, der für sie nur irgend etwas Mißfälliges hat? In Beziehung auf mein Bild mag ich weder für die eine noch die andere Partei etwas gethan haben; legt man mir es so aus, wie's geschieht, so hat man es auch zu verantworten.
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