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2.
Zum Stellenwert der Ordnungen in Renaissance und Barock
Für
heutige Begriffe, die an Funktionalität und Nüchternheit
moderner Architektur geschult sind, stellen sich die
Ordnungen der frühen Neuzeit als eine Art Ornament
dar, mit dem man früher Bauwerke dekoriert hat.
Die Lehre von den Ordnungen wird hingegen oft als ein
trockener Formalismus verstanden, den man bei Bedarf
nachschlägt und dann bald wieder vergißt.
Mit ihren belehrenden, schematisierten Darstellungen
könnten die Traktate aus Renaissance und Barock
zu diesem Mißverständnis sogar beitragen.
Tatsächlich waren die Ordnungen aber das essentielle
Material für die Gestaltung von Architektur, der
grundlegende Stoff für Bau-Kunst also. Zeitgenössische
Stimmen haben dazu deutlich Stellung bezogen:
Die
wohl eindringlichste Äußerung stammt von
einem fachkundigen Bauherrn, dem in Mähren ansässigen
Fürsten Karl Eusebius von Liechtenstein (1611-1684),
der ein von ihm selbst verfaßtes 'Werk von der
Architektur' zur Unterrichtung seines Sohnes und Nachfolgers
hinterlassen hat. Es dürfte zwischen 1670 und 1680
entstanden sein. Als Anleitung zu repräsentativer
Bautätigkeit war das Manuskript von Erfolg gekrönt:
der Sohn Johann Adam Andreas wurde zu einem der wichtigsten
Bauherrn des frühen Hochbarock in Mähren und
Österreich, er war Auftraggeber von Johann Bernhard
Fischer von Erlach und Domenico Martinelli. Außerdem
ließ er ab 1680 das Schloß in Plumenau (Plumlov)
errichten, und zwar "in allem und jedem" nach
den Direktiven seines Vaters. In klassischer Manier
mit mehrstöckiger Säulenordnung in Superposition
angelegt, belegt die Fassade die Wertschätzung
der Ordnungen durch Karl Eusebius; die Gründe dafür
teilt er in seinem schriftlichen Nachlaß mit...
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