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Mitsprache verlangt hatte, wie sich ein junger Staat (Belgien
war aus der Revolution von 1830 als eigenständige Monarchie
hervorgegangen) im Rückgriff auf die Geschichte der Region
eine nationale Vergangenheit und damit eine von den Nachbarstaaten
deutlich abgesetzte Identität zu schaffen vermochte.
Die Bilder waren im Auftrag des belgischen Staates für
die Brüsseler Cour de Cassation gemalt worden und sollten
an zwei bedeutende Ereignisse der nationalen Unabhängigkeitsbewegung
erinnern.
Der Aufschwung der Historienmalerei
nach 1848
Die Auseinandersetzung um den in den belgischen Bildern enthaltenen
Realismus mündete in eine breite Auseinandersetzung über
die richtige Auffassung der Geschichtsmalerei ein, die in
der zweiten Jahrhunderthälfte, die eigentlich schon mit
dem Revolutionsjahr 1848 begann, neue Nahrung erhielt. Das
Bürgertum konnte nun öffentlich, wenn auch noch
bei weitem nicht uneingeschränkt, ein eigenes, eben bürgerliches
Geschichtsbild konstituieren, während gerade die Wand-
und Geschichtsmalerei der Nazarener dadurch kompromittiert
war, daß sie sich von der
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Monarchie zu sehr hat in Dienst nehmen lassen.
Die Historienmalerei wurde seit 1850 von dem unaufhaltsamen
Aufstieg der Geschichte zur entscheidenden Deutungsinstanz
des öffentlichen Lebens getragen. Mit Niebuhr und
Ranke war die Geschichte zur Leitwissenschaft unter
den Geisteswissenschaften aufgestiegen, das Geschichtsdenken
prägte die Weltsicht. So forderte Wilhelm von Kaulbach
seine Schüler mit den Worten auf: "Geschichte
müssen wir malen, Geschichte ist die Religion unserer
Zeit, Geschichte allein ist zeitgemäß."
In den Jahren, die hier im Zentrum stehen, ist die Kunst
mit der Wissenschaft ein enges Verhältnis eingegangen.
Noch sahen die Historiker in der Malerei eine legitime
Weise, wissenschaftlich fundiert und ehrlich Geschichte
abbilden und einer Öffentlichkeit vermitteln zu
können. Dieses Verhältnis war jedoch zu keinem
Zeitpunkt spannungsfrei. Wurde im Fahrwasser des Historismus
vom Historienbild zunächst vollkommene Geschichtstreue
im Sinne kostümlicher Richtigkeit und illusionistischer
Plausibilität gefordert, so versuchten manche Künstler,
nicht doch noch ein Stück Idealität zu bewahren
- zumal im bürgerlichen Publikum traditionelle
Erwartungen an die höchste Gattung der Malerei
fortbestanden.
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