Aber zu dir, teurer
Jüngling, gesell' ich mich, der du bewegt dastehst
und die Widersprüche nicht vereinigen
kannst, die sich in deiner Seele kreuzen, bald die unwiderstehliche
Macht des großen Ganzen fühlst, bald mich
einen Träumer schiltst, daß ich da Schönheit
sehe, wo du nur Stärke und Rauheit siehst. Laß
einen Mißverstand uns nicht trennen, laß
die weiche Lehre neuerer Schönheitelei dich für
das bedeutende Rauhe nicht verzärteln, daß
nicht zuletzt deine kränkelnde Empfindung nur eine
unbedeutende Glätte ertragen könne. Sie wollen
euch glauben machen, die schönen Künste seien
entstanden aus dem Hang, den wir haben sollen, die Dinge
rings um uns zu verschönern. Das ist nicht wahr!
Denn in dem Sinne, darin es wahr sein könnte, braucht
wohl der Bürger und Handwerker die Worte, kein
Philosoph.
Die Kunst ist lange bildend,
eh' sie schön ist, und doch so wahre, große
Kunst, ja oft wahrer und größer als die schöne
selbst. Denn in dem Menschen ist eine bildende Natur,
die gleich sich tätig beweist, wann seine Existenz
gesichert ist. Sobald er nichts zu sorgen und zu fürchten
hat, greift der Halbgott, wirksam in seiner Ruhe, umher
nach Stoff, ihm seinen Geist einzuhauchen. Und so modelt
der Wilde mit abenteuerlichen Zügen, gräßlichen
Gestalten, hohen Farben seine Kokos, seine Federn und
seinen Körper. Und laßt diese Bildnerei aus
den willkürlichsten Formen bestehn, sie wird ohne
Gestaltsverhältnis zusammenstimmen; denn eine Empfindung
schuf sie zum charakteristischen Ganzen.
Diese charakteristische Kunst
ist nun die einzige wahre. Wenn sie aus inniger, einiger,
eigner, selbstständiger Empfindung um sich wirkt,
unbekümmert, ja unwissend alles Fremden, da mag
sie aus rauher Wildheit oder aus gebildeter Empfindsamkeit
geboren werden, sie ist ganz und lebendig. Da seht ihr
bei Nationen und einzelnen Menschen dann unzählige
Grade. Je mehr sich die Seele erhebt zu dem Gefühl
der Verhältnisse, die allein schön und von
Ewigkeit sind, deren Hauptakkorde man beweisen, deren
Geheimnisse man nur fühlen kann, in denen sich
allein das Leben des gottgleichen Genius in seligen
Melodien herumwälzt; je mehr diese Schönheit
in das Wesen eines Geistes eindringt, daß sie
mit ihm entstanden zu sein scheint, daß ihm nichts
genugtut als sie, daß er nichts aus sich wirkt
als sie, desto glücklicher ist der Künstler,
desto herrlicher ist er, desto tiefgebeugter stehen
wir da und beten an den Gesalbten Gottes.
Und von der Stufe, auf welche
Erwin gestiegen ist, wird ihn keiner herabstoßen.
Hier steht sein Werk, tretet hin und erkennt das tiefste
Gefühl von Wahrheit und Schönheit der Verhältnisse,
wirkend aus starker, rauher, deutscher Seele, auf dem
eingeschränkten düstern Pfaffenschauplatz
des medii aevi.
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