hältst dich für Verwahrer der
Kunstgeheimnisse, weil du auf Zoll und Linien von Riesengebäuden
Rechenschaft
geben kannst. Hättest du mehr gefühlt als
gemessen, wäre der Geist der Massen über dich
gekommen, die du anstauntest, du hättest nicht
so nur nachgeahmt, weil sie's taten und es schön
ist; notwendig und wahr hättest du deine Plane
geschaffen, und lebendige Schönheit wäre bildend
aus ihnen gequollen.
So hast du deinen Bedürfnissen
einen Schein von Wahrheit und Schönheit aufgetüncht.
Die herrliche Wirkung der Säulen traf dich, du
wolltest auch ihrer brauchen und mauertest sie ein,
wolltest auch Säulenreihen haben und umzirkeltest
den Vorhof der Peterskirche mit Marmorgängen, die
nirgends hin noch her führen, daß Mutter
Natur, die das Ungehörige und Unnötige verachtet
und haßt, deinen Pöbel trieb, ihre Herrlichkeit
zu öffentlichen Kloaken zu prostituieren, daß
ihr die Augen wegwendet und die Nasen zuhaltet vorm
Wunder der Welt.
Das geht nun so alles seinen
Gang, die Grille des Künstlers dient dem Eigensinne
des Reichen, der Reisebeschreiber gafft, und unsre schöne
Geister, genannt Philosophen, erdrechseln aus protoplastischen
Märchen Prinzipien und Geschichte der Künste
bis auf den heutigen Tag, und echte Menschen ermordet
der böse Genius im Vorhof der Geheimnisse.
Schädlicher als Beispiele
sind dem Genius Prinzipien. Vor ihm mögen einzelne
Menschen einzelne Teile bearbeitet haben. Er ist der
erste, aus dessen Seele die Teile, in ein ewiges Ganze
zusammengewachsen, hervortreten. Aber Schule und Prinzipium
fesselt alle Kraft der Erkenntnis und Tätigkeit.
Was soll uns das, du neufranzösischer philosophierender
Kenner, daß der erste zum Bedürfnis erfindsame
Mensch vier Stämme einrammelte, vier Stangen drüber
verband, und Äste und Moos drauf deckte? Daraus
entscheidest du das Gehörige unsrer heurigen Bedürfnisse,
eben als wenn du dein neues Babylon mit einfältigem
patriarchalischem Hausvatersinn regieren wolltest.
[...]
Als ich das erstemal nach dem
Münster ging, hatt' ich den Kopf voll allgemeiner
Erkenntnis guten Geschmacks. Auf Hörensagen ehrt'
ich die Harmonie der Massen, die Reinheit der Formen,
war ein abgesagter Feind der verworrnen Willkürlichkeiten
gotischer Verzierungen. Unter die Rubrik Gotisch, gleich
dem Artikel eines Wörterbuchs, (Stichwort
Gotik bei Sulzer) häufte ich alle synonymische
Mißverständnisse, die mir von Unbestimmtem,
Ungeordnetem, Unnatürlichem, Zusammengestoppeltem,
Aufgeflicktem, Überladenem jemals durch den Kopf
gezogen waren. [...]
Mit welcher unerwarteten Empfindung
überraschte mich der Anblick, als ich davor trat!
Ein ganzer, großer Eindruck füllte meine
Seele, den, weil er aus tausend harmonierenden Einzelnheiten
bestand, ich wohl schmecken und genießen, keineswegs
aber erkennen und erklären konnte. Sie sagen, daß
es also mit den
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