
Jusepe de Ribera (1591-1652)
Der Tastsinn, 1632 (signiert und datiert),
Öl auf Leinwand, 125 x 98 cm
Madrid, Prado
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Ein bärtiger, greiser Blinder betastet
den Kopf einer antiken Skulptur. Neben ihm auf dem Tisch liegt
ein Gemälde, dem er jedoch keine Beachtung schenkt. Der
Blinde ist mit einem einfachen, schwarzen, etwas zerschlissenen
Rock gekleidet, unter welchem das Hemd an Ärmeln und
Hals zum Vorschein kommt. Sein Gesichtsausdruck illustriert
die konzentrierte geistige Tätigkeit des Abtastens. Das
Bild wirkt insgesamt sehr düster, die wenigen beleuchteten
Partien stehen im starken Kontrast dazu. Der Hintergrund ist
unbestimmt. In der Forschung wurde das Gemälde zunächst
als Portrait des Francesco Gonelli identifiziert. Es deutet
jedoch nichts darauf hin, daß der Blinde die Skulptur
selbst erschaffen hat und der zerschlissene Rock wäre
dem berühmten Bildhauer auch nicht angemessen. Aber das
neben ihm liegende Gemälde spricht gegen diese Deutung.
Eher stellt hier Ribera seinen eigenen Kommentar zum Wettstreit
der Künste dar: Während die Büste in den Händen
des Bilden in kaltem Marmor erscheint, ist das Bildnis subtil
koloriert und spiegelt damit die Leistung des Malers wieder,
die in der Charakterstudie des alten Mannes und der bravourösen
Lichtführung gipfelt. Oberflächlich ein Lob des
Tastsinns und der Skulptur, scheint das Gemälde im eigentlichen
Sinne doch ein Bravourstück der Malerei und damit seines
Erschaffers, Jusepe Ribera, zu sein. [IKe]
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