Quellen zu Aufgabe Staatskunst
in Preußen: Anton von Werner
Quelle 1: Aus Anton von Werners
Memoiren, drittes Kapitel (1871)
Anton von Werner: Erlebnisse und
Eindrücke 1870-1890, Berlin 1913, S. 31-41.
[...] Da erhielt ich am 15. Januar vormittags 10
Uhr beim Schlittschuhlaufen auf der Karlsruher Schießwiese
folgendes Telegramm:
"Geschichtsmaler v. Werner, Karlsruhe.
S. K. H. Der Kronprinz läßt Ihnen sagen,
daß Sie hier Etwas Ihres Pinsels Würdiges
erleben würden, wenn Sie vor dem 18. Januar hier
eintreffen können.
Eulenburg, Hofmarschall."
(S. 31:) [...] Also um eine Festlichkeit handelte es
sich! [...] Aber welcher Art konnte sie sein, daß
ich deshalb nach Versailles berufen war? Ich begab mich
um 11 Uhr ins Schloß, dessen nächste Umgebung
wie die ganzen Place d'armes mit Infanterie besetzt
war. [...] Die zu der Galerie des Glaces führende
Salle de la paix war mit (S. 32:) Offizieren
aller Waffengattungen gefüllt und in der großen
Spiegelgalerie standen sie Kopf an Kopf dicht gedrängt,
in der Mitte blieb ein schmaler Gang frei; es mochten
600 bis 800 Offiziere oder mehr sein, ich hatte noch
nie ihrer so viele auf einem Fleck zusammen gesehen.
[...] Weiter gegen die Mitte des Saales vordringend
bemerkte ich an der Fensterwand im Dunklen einen Altar
aufgerichtet, von sechs Geistlichen umgeben, und vor
der Schmalseite der Galerie gegen die Salle de la
guerre eine mehrstufige Estrade, auf der dichtgedrängt
Fahnenträger mit ihren zerschossenen Fahnen und
Standarten in Reih und Glied standen. [...] Das plötzliche
Verstummen des Geschwirres der Unterhaltung ließ
darauf schließen, daß die Festlichkeit beginnen
sollte, ich dachte an den 18. Januar, den Tag des Ordensfestes.
Und dann nahten unter den Klängen eines Psalms
in ernstem, feierlichem Zuge, so ganz ohne Pose und
Zeremoniell, schlicht und einfach die deutschen Fürsten
und Heerführer, voran der weißbärtige
Heldenkönig und sein strahlender Sohn, der blondbärtige
Kronprinz. [...]
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