Quellen
zu Aufgabe Offizielle Historienmalerei: Kaulbach, Piloty
und Makart
Quellengruppe 1: Wilhelm von Kaulbach
Brief Wilhelm von Kaulbachs an den Freiherrn v. Bergh
Brief Wilhelm von Kaulbachs
an den Freiherrn v. Bergh, Münster [?], 29. Nov.
1858, Bayerische Staatsbibliothek, Kaulbach-Archiv VI,6a,
zitiert nach: Annemarie Menke-Schwinghammer: Weltgeschichte
als >Nationalepos<. Wilhelm von Kaulbachs kulturhistorischer
Zyklus im Treppenhaus des Neuen Museums in Berlin, Berlin
1994.
Hochwohlgeborener Freiherr,
Hochverehrtester Herr Oberstlieutenant!
[...]
Erlauben Sie mir, den Sachverhalt in Kürze auseinander
zu setzen. Ich war von jeher der Meinung, daß
als Gegenstand des 6ten Bildes das Zeitalter der Reformation
gewählt werden sollte. Die Gründe, welche
mich zu dieser Ansicht geführt haben, scheinen
mir auch jetzt noch überzeugend zu sein.
Das 6te Bild muß dem Stoffe nach den übrigen
5 Bildern ebenbürtig sein und muß zugleich
mit denselben in einem gewissen inneren Zusammenhang
stehen.
Bei dem Thurmbau zu Babel, welches das erste Bild ist,
durchfluthet die Völker eine gewaltige religiöse
Bewegung. Die Begriffe von Gott und den göttlichen
Dingen verwirren sich, die Völker spalten sich
und reden mit verschiedenen Zungen. Was ist nun natürlicher,
als daß der Cyklus meiner Bilder mit einer weltgeschichtlichen,
religiösen Bewegung abschließe!
Die Reformation besitzt diesen Charakter. Sie ist das
großartigste religiöse Ereigniß, welches
die neue Geschichte kennt. Sie umfaßt die Zeit,
wo die religiösen Ideen geläutert und mit
neuer Kraft erwachen, wo Glaubenseifer alle Völker
durchglühte, und wo auch sonst Dinge geschehen,
wie z.B. die Entdeckung einer zweiten Erdkugel, die
Wiedererschließung der classischem [sic] Literatur,
die Auffindung großer Naturgesetze am Sternenhimmel
etc., welche auf den Gang der Culturgeschichte der Menschheit
mit entscheidendem Gewicht eingewirkt haben.
[...]
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