Quelle 2: Zwei Einträge aus Ludwig Richters
Tagebüchern
13. März [1821] zitiert
nach: Ludwig Richters Tagebücher und Jahreshefte
1821-83, Hamburg 1924, S. 19-20, 30. Januar [1825] S.
61-63.
Nizza, 13. März [1821]
Mich beschäftigte die frage, welche Manier wohl
als neu und gut in der Landschaftsmalerei zu gebrauchen
wäre; denn in der ängstlichen Manier der Nachahmer
Dahls will ich nicht arbeiten. Ich war lange Zeit im
Schwanken. Mir gefiel Dahls Wildheit und Claudes großer
Stil, und auch wieder Dietrichs angenehm mit Figuren
staffierte Landschaften. Ich las Geßners "Herbstmorgen",
und dabei kam ich auf folgenden Gedanken.
Weder der große, erhabene, noch der wilde Stil
in der Landschaftsmalerei ist meinem Charakter angemessen;
mir paßt eher das Reizende, Liebliche und Enge.
Wenn ich nun die Natur so genau wie Geßner studieren
und recht den Charakter, den jeder Gegenstand erfordert,
ausdrücken will, so muß ich natürlich
ein recht wachsames Auge auf die Natur richten, alles
Schöne, das ich entdecke, aufzeichnen und mich
recht sehr mit ihr vertraut machen.
Ich werde also die Natur recht genau nachahmen, z.B.
die Lüfte, die verschiedenen Arten der Bäume,
ihre besonderen Aeste und Blätter, die vielerlei
Arten von Stauden, Pflanzen und Kräutern, die Mittelgründe,
Fernen, das Wasser usw. genau nach der Natur zeichnen
(doch immer freier und ungezwungener, nicht wie die
Schüler Dahls), überhaupt immer mehr auf den
Effekt im ganzen sehn. Statt wie Dahl wilde und finstere
Bergpartien, will ich lieblichere Gegenstände wählen
und besonders immer auf Varität sehen, auf schöne
Beleuchtung und Effekt, auf den Charakter der Jahreszeiten,
der Gegend und auf schöne charakteristische Figuren.
Die Natur ist ja so reich, so mannigfaltig, daß
der Künstler immer neu sein kann, wenn er sie genau
studiert. Ich muß also hauptsächlich noch
die Figuren und besonders die deutschen recht studieren,
damit die Gemälde auch in Hinsicht des Kostüms
richtig sind. Deshalb wünsche ich in zwei Jahren
die Schweiz zu durchwandern.
Diejenigen, welche die Natur ganz sklavisch nachahmen,
fast jedes Blättchen auf den Bäumen und jeden
Bruch im Felsen nachzeichnen, werden gerade am wenigsten
natürlich erscheinen, weil sie die Wirkung im ganzen
verfehlen. Auf diese muß man hauptsächlich
sehen, wenn man nach der Natur zeichnet. Die Harmonie
des Ganzen ist es, welche den Gegenstand in der Natur
und auf der Leinwand wahr und schön macht. Allzu
große Bestimmtheit in Nebendingen wird das Ganze
tot und hölzern machen, da doch alles in der Natur
lebendig sein soll.
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