Quellen zu Aufgabe Bürgerliche
Historienmalerei im Vormärz. Die Düsseldorfer
Malerschule: Carl Friedrich Lessing und Alfred Rethel
Quelle 1: Wilhelm von Humboldt über Lessings
"Trauerndes Königspaar"
Kunstvereinsbericht vom 15. Januar 1831,
in: Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schriften, hrsg.
von der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften,
Bd. V (Erste Abteilung: Werke V), Berlin 1906, S. 551-556.
Die Jahre der akademischen Ausstellungen pflegen auch
diejenigen zu seyn, wo unser Verein die reichste und
mannigfaltigste Auswahl von Bildern zur Verloosung darzubieten
im Stande ist. Im gegenwärtigen aber muss es ihm
zu einer besondern Genugthuung gereichen, dass gerade
die beiden Gemälde, welche auch auf der Ausstellung
vorzugsweise von Kennern und Liebhabern aufgesucht wurden,
eine Frucht seiner Bestellungen sind. Ich brauche kaum
zu erwähnen, dass ich hierunter das Bild nach der
Uhlandischen Ballade: das Schloss am Meer von Herrn
Lessing und den Raub des Hylas von Herrn Sohn meine.
Beide Bilder haben, ausser der Erfüllung der künstlerischen
Erfordernisse, noch das Merkwürdige, dass sie Gegenstände
behandeln, von welchen der eine der künstlerischen
Darstellung, der andre dem Gemüthe wenig zu geben
verspricht, und dass sie diese Schwierigkeit auf eine
Weise überwunden haben, die nicht einmal ahnden
lässt, dass sie vorhanden war. Gerade das ist es
aber, was den wahren Künstler bezeichnet; ursprünglich,
in seiner ersten Auffassung erscheint ihm der Gegenstand
so, dass die Schwierigkeiten verschwinden, ja oft sich
zu eigenthümlichen Vorzügen umgestalten.
Wenn man das Uhlandische Gedicht liest, so fragt man
sich mit Verwunderung, wie daraus ein Bild entstehen
könne? Es schildert keine Handlung, es geht kaum
eine Scene daraus hervor, an welcher sich die malerische
Einbildungskraft halten könnte; alles ist lyrisch,
empfunden, innerlich. Der Künstler, der durch seine
vielseitigen Leistungen zeigt, dass er vorzugsweise
fähig ist, jedem Gegenstande seine objective Eigenthümlichkeit
abzugewinnen, ist auch hier ebendadurch glücklich
gewesen. Er hat nicht gesucht, die Lücke, welche
die darstellende Kunst in dem Gedichte finden konnte,
durch andere Mittel zu ersetzen; er ist ganz in den
Dichter eingegangen, und hat nichts als den Schmerz,
concentrirt und vereinzelt, hingestellt. Des andeutenden
Sarges hätte er leicht entrathen können, die
Aussicht auf das Meer knüpft sein Bild nur lose
an das Gedicht an, das
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