Vorige Seite
(9) Die Jury (Fortsetzung) |
||
Ich werde von allen Seiten aufgefordert, offen zu sprechen, die Namen der verdienten Künstler zu nennen, die von der Jury abgelehnt worden sind. | ||
![]() Eugène Delacroix, Medea tötet ihre Kinder, 1862 |
Das Publikum wird also immer das gute Publikum sein. Selbstverständlich sind die vom Salon abgewiesenen Künstler vorläufig noch die berühmten Maler von morgen, und ich könnte hier nur Namen angeben, die meinen Lesern unbekannt sind. Ich beschwere mich gerade über diese befremdenden Urteile, durch die ernsthafte junge Leute, deren einziger Fehler darin besteht, nicht so zu denken wie ihre Berufskollegen, zu einem jahrelangen Schattendasein verurteilt werden. Man muß annehmen, daß alle Persönlichkeiten wie Delacroix und die anderen uns durch die Entscheidungen gewisser Cliquen lange vorenthalten blieben. Ich möchte nicht, daß sich das wiederholt, und ich will mit diesen Artikeln in erster Linie erreichen, daß die Künstler, die mit Sicherheit die Meister von morgen sein werden, nicht die Verfolgten von heute sind. | |
![]() Edouard Manet, Das Frühstück im Freien, 1863
|
Ich behaupte geradeheraus, daß die diesjährige Jury eine vorgefaßte Meinung hatte. Eine ganze Richtung der zeitgenössischen französischen Kunst ist uns absichtlich vorenthalten worden. Ich habe Edouard Manet und Ernest-Paul Brigot erwähnt, weil sie bereits bekannt sind; ich könnte zwanzig weitere nennen, die derselben künstlerischen Bewegung angehören. Das bedeutet, daß die Jury keine starken, lebendigen Gemälde wollte, keine Studien aus dem vollen Leben und aus der vollen Realität. | |
Ich weiß wohl, daß ich die Lacher nicht auf meiner Seite haben werde. In Frankreich wird gern gelacht, und ich schwöre Ihnen, daß ich noch lauter lachen werde als die anderen. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. | ||
|
Hiermit mache ich mich zum Verteidiger der Realität. Ich gestehe in aller Ruhe, daß ich Edouard Manet bewundern werde, ich erkläre, daß ich von Alexandre Cabanels süßlich gepuderten Bildern wenig Aufhebens mache und daß mir die herben, gesunden Gerüche der wirklichen Natur lieber sind. Im übrigen wird jedes meiner Urteile zu seiner Zeit kommen. An dieser Stelle möchte ich lediglich feststellen - und niemand wird es wagen, (10) dies in Abrede zu stellen -, daß die Realismus genannte Bewegung im Salon nicht vertreten sein wird. | |
![]() Gustave Courbet, Rast der Rehe, 1866
|
Mir ist wohl bekannt, daß Gustave Courbet dabei sein wird. Doch Courbet ist anscheinend zum Feind übergelaufen. Man soll Abgesandte zu ihm geschickt haben, denn der Meister von Ornans ist ein schrecklicher Rabauke, den man zu beleidigen fürchtet, und ihm sollen Titel und Ehrungen versprochen worden sein, wenn er so gut sein wollte, seine Schüler zu verleugnen. Es wird von der Goldmedaille und sogar vom Kreuz der Ehrenlegion gemunkelt. Am nächsten Tag begab sich Courbet zu Brigot, seinem Schüler, und erklärte ihm barsch, »er vertrete nicht die Philosophie seiner Malerei«. Die Philosophie von Courbets Malerei! O teurer Meister, Proudhons Buch ist Ihnen als Demokrat nicht bekommen. Bleiben Sie um Gottes willen der bedeutendste Maler unserer Zeit, werden Sie weder Moralist noch Sozialist! | |
Wie gleichgültig sind heute übrigens meine Sympathien! Ich, das Publikum, beschwere mich über die Einschränkung meiner Meinungsfreiheit. Ich, das Publikum, bin verärgert, weil man mir die künstlerische Bewegung nicht vollständig darbietet. Ich, das Publikum, verlange, daß nichts vor mir verborgen wird, ich strenge gerechter- und rechtmäßigerweise einen Prozeß gegen die Künstler an, die mit vorgefaßter Meinung eine ganze Gruppe von Kollegen aus dem Salon vertrieben haben. | ||
Mein erster Artikel hat berechtigte empfindliche Reaktionen hervorgerufen. Nicht die gesamte Jury ist schuldig. Daher werde ich mein Versprechen halten, Sie in das Allerheiligste einzuführen, Ihnen die Juroren bei der Arbeit zu zeigen, um jedem von ihnen seinen gerechten Anteil an der Aufgabe zu gewähren. | ||
Ist zudem der Evénement nicht die Zeitung der Indiskretionen, die Zeitung, die alles weiß, was vorgeht, und die ihre Leser in die Theater der verschiedenen Welten einführt, noch ehe der Vorhang sich gehoben hat? Meine Leser mögen sich daher bitte in das Palais de l’Industrie bemühen. | ||
Keine Versammlung, keine Vereinigung von Menschen, die gemeinsam irgendwelche Entscheidungen treffen sollen, ist eine bloße Maschine, die sich, von einer einzigen Feder angetrieben, in eine Richtung dreht. Eine subtile Untersuchung ist nötig, um jede Bewegung, jede Drehung des Rades zu erklären. Der gewöhnliche Mensch sieht nur das erreichte Ergebnis; der Beobachter bemerkt (11) die Zuckungen und Sprünge, von der die Maschine geschüttelt wird. | ||
![]() Camille Corot, Das Atelier des Künstlers, 1865 |
Ich will versuchen, die Jury Stück für Stück auseinanderzunehmen, ihren Mechanismus zu erklären, das Funktionieren ihrer Triebfedern verständlich zu machen. Da der Salon ihr Werk ist, sagte ich, ist es notwendig, diesen unpersönlichen und vielfachen Urheber in jedem seiner Teile kennenzulernen. | |
![]() Charles Daubigny, Ufer der Themse, 1866
|
Die Jury besteht aus achtundzwanzig Mitgliedern, die ich der Reihenfolge der Abstimmung nach aufführen will: von den mit Medaillen ausgezeichneten Künstlern ernannte Mitglieder: die Herren Gérome, Cabanel, Pils, Bida, Meissonier, Gleyre, Français, Corot, Robert Fleury, Breton, Hébert, Dauzats, Brion, Daubigny, Barrias, Dubufe, Baudry. Ersatzmitglieder: die Herren Isabey, de Lajolais, Théodore Rousseau. Von der Académie-Verwaltung ernannte Mitglieder: die Herren Cottier, Théophile Gautier, Lacaze, der Marquis Maison, Reiset, Paul de Saint-Victor, Alfred Arago. | |
Ich möchte eiligst betonen, daß ich die Verwaltung aus der ganzen Angelegenheit ausklammere. Hier geht es einzig um einen künstlerischen Streit, und mir geht es nicht um die Beteiligung all jener, die keinen Pinsel in der Hand halten. Ich begnüge mich damit, Paul de Saint-Victor und vor allem Théophile Gautier darauf aufmerksam zu machen, daß sie reichlich streng über junge Leute geurteilt haben, deren einzige Missetat darin besteht, neue Wege auszuprobieren. Erinnert sich Théophile Gautier, der im Moniteur zu Ehren der von ihm angenommenen Gemälde ein so hübsches Feuerwerk abbrennt, denn nicht an 1830, als er seine berühmte rote Weste trug? Ach, ich weiß, wir sind nicht mehr bei den roten Westen, wir sind beim nackten, lebendigen Fleisch, und ich verstehe die ganze Angst eines unverbesserlichen alten Romantikers, der seine Götter entschwinden sieht. | ||
Damit verbleiben einundzwanzig Rädchen in der Maschine. Es folgt die Beschreibung jedes dieser Rädchen und die Erklärung ihrer Arbeitsweise. | ||
![]() |
LEON GEROME: Ein sehr listiger, gerissener Juror. Er hat wohl gemerkt, welch erbärmliches Geschäft da bevorstand und ist einen Tag vor Beginn der Sitzungen nach Spanien entflohen, von wo er genau einen Tag nach deren Ende zurückkehrte. Dieses (12) umsichtige, weise Verhalten hätten alle Juroren nachahmen sollen. Dann hätten wir wenigstens eine vollständige Ausstellung gehabt. | |
ALEXANDRE CABANEL: Ein mit Ehrungen überhäufter Künstler, der alle ihm verbleibenden Kräfte darauf verwendet, seinen Ruhm zu tragen und ständig damit beschäftigt ist, daß keiner seiner Lorbeeren zu Boden fällt, so daß er keine Zeit hat, bösartig zu sein. Wie man mir versichert, hat er viel Milde und Nachsicht gezeigt. Wie man mir erzählte, hat ihn die Goldmedaille, die er sich voriges Jahr selbst verliehen hat, beinah erstickt: er ist noch ganz verschämt, wie ein Vielfraß, der sich in der Öffentlichkeit überfressen hat. | ||
![]() Isidore Pils, Belagerung von Sebastopol, 1855 |
ISIDORE PILS: Er erstickt weniger als Alexandre Cabanel und hält sich für standfest genug, als daß er versuchen würde, die anderen umzuwerfen. | |
ALEXANDRE BIDA: Dieser Zeichner wurde wahrscheinlich gewählt, um die Zeichner zu beurteilen, da er als Maler nie reüssiert hat. Monsieur Bidaverteidigt die Prinzipien. | ||
![]() Ernest Meissonier, Auf einem Belvedere, 1867 |
ERNEST MEISSONIER: Nichts dauert anscheinend so lange, wie Männchen zu malen, denn der offizielle Maler von Lilliput, der homöopathische Maler mit den verschwindend kleinen Dosen, hat fast alle Sitzungen versäumt. Allerdings wurde mir gesagt, Monsieur Meissonier habe an der Beurteilung der Künstler mitgewirkt, deren Name mit M anfängt. | |
![]() Charles Gleyre, Das Bad, 1868 |
CHARLES GLEYRE: Dieser Maler, der im vorigen Jahr Letzter auf der Jurorenliste war, steht dort in diesem Jahr an sechster Stelle. Dieses Votum hat eine Legende. Ein bestimmter Malerzirkel, den ich erwähnt habe und noch erwähnen werde, war tiefbetrübt, berichtet die Legende, daß Monsieur Gleyre, ein so würdiger, so verdienter Künstler wie Monsieur Gleyre als Letzter auf der Liste stand. |
|
|
Eines Tages bot ein Mitglied des Zirkels ihm an, ihm einen ausgezeichneten Platz zu geben, unter der Bedingung, daß all lene, die für ihn votierten, gleichzeitig für Edouard Dubufe votierten. Und so kommt es, daß Charles Gleyre Sechster auf der Liste ist, so kommt es, daß Edouard Dubufe zum ersten Mal die Ehre hat, der Jury anzugehören. Wie gesagt ist dies nur eine Legende. | |
![]() Charles Gleyre, Minerva und die drei Grazien, 1866 |
(13) Im übrigen hat sich der Meister, dessen Schüler heute aufbegehren, vortrefflich verhalten. Sie wissen ja, daß der König nie der größte Royalist ist. Vielleicht hat Charles Gleyre sich an eine schreckliche Lektion erinnert, die Jean-Auguste Ingres ihm, wie die Chronik wissen will, im Schloß von Dampierre erteilt haben soll, wo die beiden Künstler Fresken im selben Saal malen mußten. Als Ingres eintraf, um sich ans Werk zu machen, soll er verlangt haben, daß die beiden von Gleyre bereits ausgeführten Fresken übertüncht würden, da er in einer solchen Umgebung nicht arbeiten könne. | |
![]() François-Louis Français, Heiliger Wald, 1864 |
FRANÇOIS-LOUIS FRANÇAIS: Er weiß selbst nicht genau, ob er Realist oder Idealist ist. Er malt heilige Haine und die Wäldchen von Meudon. Man versichert mir, er habe mit recht kraftvoll gemalten und weithin gut aufgenommenen Landschaften debütiert. Ich kenne von ihm nur reichlich verwaschene Aquarelle. Er muß den ungestümen Temperamenten gegenüber sehr streng gewesen sein. | |
![]() Eugène Fromentin, Falkenjagd in Algier, 1862 |
EUGÈNE FROMENTIN: Ein enger Freund von Alexandre Bida. Er ist in Afrika gewesen und hat köstliche Uhrenmotive von dort mitgebracht. Seine Beduinen sind zum Ablecken sauber. All diese lieblichen Künstler, die von Träumen und Träumereien leben, überfällt ein heiliger Schrecken, wenn sie Gemälde sehen, die sie an die Natur erinnern, welche sie für zu schmutzig erklärt haben. | |
![]() Camille Corot, Einsamkeit (Erinnerung an Vigen (Limousin), 1866 (Reproduk- tion aus der Gazette des Beaux-Arts) |
CAMILLE COROT: Ein Künstler von großem Talent. Ich werde mich später mit ihm auseinandersetzen. Er hat die Bilder, die ihm eigentlich hätten gefallen müssen, lustlos verteidigt. Um sein Verhalten in der Jury zu erklären, greife ich auf eine Anekdote zurück. Es war im vergangenen Jahr, als die Medaillen verteilt wurden. Einige Juroren begeisterten sich für eine Landschaft von François-Henri Nazon und bemühten sich eifrig um Monsieur Corots Stimme. Schließlich sagte dieser müde: »Ich bin ein guter Junge, geben wir ihm eine Medaille, aber ich gebe zu, daß ich dieses Bild nicht im geringsten verstehe.« | |
![]() Leon Gérome, Tor der Moschee von El-Assaneyn in Kairo, wo die Köpfe der Beys ausgestellt waren,die von Salek-Kachef geopfert wurden, 1866
|
ROBERT FLEURY: Ein Überrest aus der Romantik, der es erreicht hat, in die Jury aufgenommen zu werden, indem er seinen Wein mit Wasser verdünnt hat. Jeder neuen Richtung abhold. Er (14) gab seine Urteile für den Salon ab, doch sein eigentlicher Platz seit einem Monat war Rom, wo er als Nachfolger von Jean-Victor Schnetz zum Direktor unserer Kunstschule ernannt worden ist. Wenn man bedenkt, daß Léon Gérome keinen Vorwand hatte und entflohen ist und daß Robert Fleury einen Vorwand hatte und geblieben ist! Wie Sie sehen, gibt es Männer, die unerschütterlich ihre Pflicht erfüllen. Mir wurde gesagt, daß Robert Fleurys Sohn dieses Jahr ausstellt und daß er zweifellos eine der vierzig Medaillen bekommen wird. | |
![]() Jules Breton, Rückkehr der Ährenleserinnen, 1859 |
JULES BRETON: Ein junger, streitbarer Maler. Angesichts der Gemälde von Edouard Manet soll er ausgerufen haben: »Wenn wir das annehmen, sind wir verloren.« Wer, wir? Jules Breton hat es mit den Bäuerinnen, die Lélia lesen und nachts, in die Betrachtung des Mondes versunken, Verse schmieden. Wie man hört, wird die Vornehmheit seiner Figuren geschätzt. Deshalb legt er Wert darauf, keinen einzigen wirklichen Bauern in den Salon einzulassen. In diesem Jahr hat er dessen Eingang bewacht und erbarmungslos alles abgewiesen, was den üblen Geruch nach Erde ausströmte. | |
ERNEST HEBERT: Ein Künstler, der Fieber zu haben scheint. Von zu krankhafter Anmut, als daß er auf gutem Fuße mit den gesunden Realitäten stehen könnte. | ||
![]() Adrien Dauzats, Das Katharinen- kloster auf dem Berg Sinai, 1845 |
ADRIEN DAUZATS: Gründungsmitglied der Jury. Seine Beiträge in seinen langen Dienstjahren sind jedoch weder sehr zahlreich noch sehr brillant. Er hat so abgestimmt wie die anderen, das ist alles, was ich weiß. | |
GUSTAVE BRION: Der Kumpan von Jules Breton. Die beiden waren Anführer der Kampagne. Ist es nicht traurig zu sehen, wie noch junge, erst seit gestern bekannte Kunstschaffende jenen, die den Erfolg auf anderem Wege suchen, die Tür lautstark vor der Nase zuknallen? Gustave Brion hat es selbst jemandem gegenüber zugegeben, dessen Namen ich, wenn nötig, nennen werde. Auf die Haltung der Jury angesprochen, sagte er: »Ja, es gab so etwas wie eine vorgefaßte Meinung.« Wenn man eine solche Erklärung hört, müßte man dann die Urteile eines Tribunals, das seine Parteilichkeit selbst zugibt, nicht für ungültig erklären? | ||
![]() Charles Daubigny, Morgenstimmung, 1866 |
(15) CHARLES DAUBIGNY: Ihn kann ich gar nicht genug loben. Er hat sich wie ein Künstler und wie ein beherzter Mann benommen. Er hat als einziger im Namen der Wahrheit und der Gerechtigkeit gegen manche seiner Kollegen angekämpft. | |
»Wir dürfen nur die Unbedeutenden und Mittelmäßigen
ablehnen«, sagte er. »Die starken Persönlichkeiten, all
jene, die suchen und arbeiten, müssen wir annehmen.«
Ein schöner Ausspruch, der das einzige Gesetz dieses Künstlertribunals, das über Künstler urteilt, sein sollte. Charles Daubignys Bemühungen sind vereitelt worden, er wurde bei allen Abstimmungen geschlagen. Zwei- oder dreimal hat er angesichts der unglaublichen Entscheidungen seiner Kollegen von Rücktritt gesprochen. |
||
FELIX-JOSEPH BARRIAS: Ein ausgezeichneter Mann. Er hat sich darauf beschränkt, so abzustimmen wie die anderen. | ||
EDOUARD DUBUFE: Er ist als Siebzehnter nominiert worden, damit Charles Gleyre auf den sechsten Platz vorrücken konnte, wie die Legende sagt, die ich weiter oben erzählt habe. Edouard Dubufe hat in den Chor der Herren Breton und Brion eingestimmt. Angesichts von Edouard Manets Bild Der Pfeifer wäre er fast in Ohnmacht gefallen und hat folgende derbe Drohung von sich gegeben: »Solange ich der Jury angehöre, werde ich solche Bilder nicht annehmen.« | ||
![]() Paul Baudry, Charlotte Corday, 1861 |
PAUL BAUDRY: Dieser Künstler ist über seine letzten Mißerfolge höchst verärgert. Eine eigenartige Idee, ihn mit der Förderung anderer zu beauftragen. | |
JEAN-BAPTISTE ISABEY: Ein Romantiker, der sich in unsere Zeit verirrt hat. Wie es sich gehört, ist er seinen Göttern treu geblieben und betrachtet es als seine Pflicht, alle neuen Götter mit Steinen zu bewerfen. | ||
(16) MONSIEUR DE LAJOLAIS: Was für ein Monsieur de Lajolais? Das fragen Sie sich, wie ich es mich selbst gefragt habe. Forschen Sie nicht nach, Sie werden nichts finden, und außerdem habe ich es übernommen, für Sie nachzuforschen. Verzeihen Sie mir bitte, daß ich dem unbekanntesten der Juroren den breitesten Platz einräume. Der Fall ist kurios und lohnt wirklich der Mühe. | ||
Monsieur de Lajolais - es gibt nämlich tatsächlich einen Monsieur de Lajolais -, ist ein Schüler von Charles Gleyre. Sein einziges künstlerisches Gepäck sind eine 1864 ausgestellte Landschaft und eine 1865 ausgestellte Landschaft. Darüber hinaus hat er die Gedenkausstellung an der Place Royale organisiert. Das sind seine Auszeichnungen. Aber ich vergaß die wichtigste: Anscheinend verdanken wir ihm die in Zusammenhang stehenden Ernennungen von Charles Gleyre und Edouard Dubufe. | ||
Als er dergestalt die Stimmen seiner Kollegen mit geschickter Hand verteilte, sind einige dieser Stimmen in seinen Händen verblieben. Er ist in die Masse übergegangen und wurde ernannt. | ||
![]() Ernest Meissonier, Napoleon im Jahr 1814, 1863 |
1863 wurden Monsieur de Lajolais' Bilder von der Académie
abgelehnt. Wie finden es die Herren Cabanel,
Robert
Fleury, Meissonier, Mitglieder der Académie,
daß ein junger Mann, den sie vor kurzer Zeit noch des Salons für
unwürdig befanden, heute ihr Kollege ist?
Zweifellos werden Sie wie ich denken, daß dieser unbekannte, wer weiß wie und warum ernannte Schiedsrichter zu Nachsicht verpflichtet war. Nun hat Monsieur de Lajolais aber vor Zeugen damit geprahlt, daß er seine Stimme nur dreihundert Gemälden gegeben hat - und der Salon wird ungefähr viertausend zeigen. |
|
Verstehen Sie die Rolle dieses gestern Abgelehnten, der all seine Kameraden vor die Tür setzt? | ||
Es bleibt mir nur, an einen Satz aus dem Brief zu erinnern, den der Comte de Nieuwerkerke uns die Ehre erwiesen hat zu schreiben: »Die Jury«, heißt es dort, »ist eine Versammlung begabter Männer, auf die Frankreich mit Recht stolz sein kann... « Pardon, Monsieur le Comte, ist Monsieur de Lajolais einer dieser begabten Männer, auf die ich mit Recht stolz sein kann? Ich versichere Ihnen, daß ich dieses Recht in dem Fall niemals mißbrauchen werde. | ||
![]() Theodor Rousseau, Eine Lichtung im Wald von Fontainebleau, 1862 |
THEODORE ROUSSEAU: Ein eingefleischter Romantiker. Er ist zehn Jahre lang abgelehnt worden, er vergilt Härte mit Härte. Man schilderte ihn mir als einen, der am verbissensten gegen die Realisten ankämpfte, deren Großcousin er doch ist. | |
Nun liegt die Maschine auseinandergenommen vor ihren
Augen. Sie können jedes Rädchen zur Kenntnis nehmen und sie sogar
zwangloser studieren, als ich es hier tun konnte.
(17) Sollen wir die Maschine aufziehen und sie ein wenig laufen lassen? |
||
Dann wollen wir die Rädchen vorsichtig aufnehmen - die kleinen und die großen, diejenigen, die sich linksherum drehen und diejenigen, die sich rechtsherum drehen -, wollen sie zusammensetzen und das fertige Werk ansehen. Die Maschine quietscht hin und wieder, manche Teile laufen hartnäckig nach ihrem Belieben; aber insgesamt funktioniert das Ganze harmonisch. Wenn auch nicht alle Rädchen von derselben Feder angetrieben werden, so greifen sie doch ineinander und arbeiten gemeinsam an derselben Aufgabe. | ||
Da sind die guten Jungen, die gleichmütig ablehnen und annehmen; da sind die arrivierten Leute, die über den Kämpfen stehen; da sind die Künstler der Vergangenheit, die an ihren Anschauungen festhalten, die alle neuen Versuche verneinen; schließlich sind da die Künstler der Gegenwart, jene, deren kleine Manier einen kleinen Erfolg hat und die diesen Erfolg zwischen den Zähnen halten und jeden in die Nähe kommenden Kollegen drohend anknurren. | ||
Das Ergebnis, das dabei herauskommt, kennen Sie ja: jene ach so leeren und so öden Säle, die wir gemeinsam besichtigen werden. Ich weiß wohl, daß ich unsere künstlerische Armut der Jury nicht als Verbrechen zur Last legen kann. Aber ich kann von ihr Rechenschaft über alle wagemutigen Künstler, die sie entmutigt, verlangen. | ||
Mittelmäßiges wird angenommen. Die Wände
werden mit biederen und völlig unbedeutenden Gemälden gepflastert.
Sie können von oben nach unten, kreuz und quer schauen: nicht ein
Bild, das einen schockiert, nicht ein Bild, das einen anzieht. Man hat
die Kunst gesäubert, man hat sie sorgfältig gestriegelt; ein
braver Bürger in Pantoffeln und weißem Hemd.
Zu diesen mit unbekannten Namen signierten biederen Gemälden kommen die von jeder Überprüfung befreiten Bilder hinzu. Sie sind das Werk der Maler, die ich studieren und besprechen werde. |
||
In diesem Jahr war das Sauberkeitsbedürfnis der
Jury noch heftiger. Sie befand, daß der idealisierende Besen im letzten
Jahr einige Strohhalme auf dem Parkett vergessen hatte. Sie wollte reinen
Tisch machen und hat alle Realisten vor die Tür gesetzt, Leute, (18)
die beschuldigt werden, sich die Hände nicht zu waschen. Die schönen
Damen werden den Salon in großer Garderobe besichtigen; alles wird
sauber und hell sein wie ein Spiegel. Man wird sich in den Gemälden
frisieren können.
Es beglückt mich, diesen Artikel mit dem Hinweis an die Juroren zu beenden, daß sie schlechte Zöllner sind. Der Feind ist vor Ort, darauf mache ich sie aufmerksam. Ich spreche nicht von den paar guten Bildern, die sie aus Versehen angenommen haben. Ich möchte lediglich sagen, daß Monsieur Brigot, gegen den die schärfsten Vorsichtsmaßnahmen getroffen wurden, dennoch zwei Studien im Salon zeigen wird, Suchen Sie gut, sie hängen unter B, allerdings mit einem anderen Namen signiert. |
||
Daher rate ich Euch jungen Künstlern, nehmt, wenn
Ihr nächstes Jahr angenommen werden wollt, nicht das Pseudonym Brigot,
nehmt Barbanchu. So könnt Ihr sicher sein, einstimmig angenommen zu
werden. Anscheinend ist es tatsächlich eine bloße Frage des
Namens.
|