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nimmt, sondern nur den roten Faden zu verfolgen sucht, an dem der Weltgeist die Taten der Geschichte anknüpft, während andererseits die Chronik der Geschichte nur die äußerlich erscheinenden Gestalten bemerkt und notiert, welche über die Weltbühne gehen, ohne ihre tiefe innerliche Beziehung zueinander aufzudecken: ist es die Aufgabe der Historienmalerei, ihre Motive aus jener geheimnisvollen Quelle der innerlichen Geschichte zu schöpfen, aber zugleich die aus ihr geschöpften Gedanken in eine ebenso lebendig dramatische Form zu bringen, wie sie die Weltbühne selber zeigt.
[...]
Was insbesondere den historischen Stil betrifft, so besteht derselbe ebensowenig in dem Gepräge konkreter Tatsächlichkeit und lebendiger Unmittelbarkeit der Personen und Handlungen, als in dem bloß äußerlichen Sich-Spreizen eines konventionellen Pathos; ebenso wenig in individueller Naturwahrheit und trivialer Porträtwirkung, als in der schematischen Strenge akademischer Pedanterie und traditioneller Gewandrhetorik: er besteht oder entspringt vielmehr mit logischer Notwendigkeit aus der höheren und allgemeineren Bedeutung, welche die dargestellten Personen als Vertreter einer großen historischen Idee erhalten, und diese höhere Bedeutung, welche sie sofort über die genremäßige Individualität des gewöhnlichen Menschen in eine erhabenere Sphäre entrückt, zwingt den Künstler, sie auch in ihrem äußerlichen Auftreten wie in ihrer ganzen persönlichen Charakteristik von dem bloß Zufälligen ihrer Existenz zu entkleiden und ihnen dafür die ihrer innern Würde angemessene und zukommende äußerliche Würde und Hoheit der Erscheinung zu verleihen, welche als solche ein ideales Gepräge notwendig nach sich zieht. Dieses, durch innerliche Gründe nicht nur berechtigte, sondern notwendig geforderte ideale Gepräge muß die wahre Basis alles historischen Stils sein, und aus ihm entspringen dann für die Komposition und malerische Gestaltung eine Reihe ideeller technischer Forderungen, welche im Ausdruck des Gesichts, in der Strenge der Gewandlegung, in der Noblesse und Kraft des Kolorits, in der dimensionalen Größe der Figuren, in der Großartigkeit und Breite der technischen Behandlung bis herab auf den Maßstab und das Format des Rahmens eine ununterbrochene Kette von notwendigen Konsequenzen bilden, welche ihrerseits sämtlich aus jenem Grundprinzip des historischen Stils sich ergeben und darauf zurückgeführt werden können.

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