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Die Indienstnahme für Belehrung und Moral verdankte
die Kunst einem alten, in der Theorie bestehenden engen Schulterschluß
mit rhetorisch-poetologischen Konzepten. Die Funktionen der
antiken rhetorisch strukturierten Rede - docere, movere und
delectare - wurden auf die des Bildes übertragen. Auch
der von Horaz in seiner "Ars poetica" formulierte
doppelte Wirkungszweck der Poesie: "Aut prodesse volunt
aut delectare poetae" spielte hier mit herein, wobei
die Aufklärung den Akzent mehr auf den Aspekt der Nützlichkeit
als auf den des Erfreuens legte.
Die Hinwendung zur Gehaltsästhetik
Die 1780er Jahre, mit denen das Seminar beginnt, umfassen
jenen Zeitraum, in dem die "Neuerer" ihre Theorien
in ausgearbeiteter Form vorlegten. Hier steht Karl Philipp
Moritz im Vordergrund, der während seines Italienaufenthalts
von 1786 bis 1789 engen Umgang mit dem ebenfalls - von 1786
bis 1788 - in Italien weilenden Goethe gepflegt hatte. Die
Theorie, die Moritz in seiner 1788 publizierten Schrift "Über
die bildende Nachahmung des Schönen" vorgelegt hatte,
ist bis zu einem gewissem Grad das Resultat gemeinsamer
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Gespräche, doch sind die Kernaspekte keineswegs
von Goethe vorgegeben worden, wie die Forschung (nicht
zuletzt bedingt durch Goethes Äußerungen
über Moritz in seiner 1816 veröffentlichten
"Italienischen Reise") lange geglaubt hat.
Wesentliche Gedanken hatte Moritz nämlich bereits
in seinem 1785 verfaßten Aufsatz "Versuch
einer Vereinigung aller schönen Künste und
Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst
Vollendeten" formuliert.
Goethe hingegen hat zu seinen originären Kunstansichten
erst nach seiner Rückkehr nach Weimar 1788 gefunden,
allerdings basierten diese auf den ästhetischen
Erfahrungen der Italienischen Reise.
Moritz sah alle Faktoren, die nach Sulzer ein Kunstwerk
determinierten, als von außen an die Kunst herangetragen
und folglich als der Kunst wesensfremd an. Er konzentrierte
sich auf eine "Kunst an sich", die keine Zweckgebundenheit
mehr aufweise und folglich keinerlei Tendenz besäße,
in die Wirklichkeit des Menschen einzugreifen. Fassen
läßt sich diese Anschauung mit dem Begriff
des "Gehalts": der Inhalt, welcher im Kunstwerk
zur Erscheinung komme, liege im Werk selbst begründet.
Der Rezipient nähere sich der Kunst, indem er sich
ihr erwartungslos hingebe und sie durch seine Empfindungskraft
erfülle. Ein so beschaffenes Kunstwerk darf jedoch
beileibe nicht beliebig sein; um sein hohes
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